Choose a language ...
Change font size

Hei, das war eine fröhliche Zeit, dieser Jänner Anno Domini 1237 ... Solches Maß an lustbarem Prunk hatte das liebe Wien noch nicht geschaut. Dieses Schmettern und Dröhnen von Trompeten und Pauken! Dieses Leuchten der Waffen und Wogen der Fahnen! Was macht es, daß ein grimmiger Nordwind bläst, der fast den Atem drosselt? Das Volk säumt die Straßen, drängt und jubelt!

Kaiser Friedrich II., der Staufer, hält seinen Einzug in die Stadt. Nachdem sein herzoglicher Namensvetter, der "Streitbare" genannt, vor dem kaiserlichen Grimm nach Neustadt geflohen, kommt der Herrscher selbst, um in Wien nach dem Rechten zu sehen ... Nun will er alte Wunden heilen und der Stadt gar gnädig sein.

Stolz sitzt er zu Roß und neigt sein Haupt grüßend gegen die Menge. Sein Antlitz ist frostgerötet, und in seinem Bart nistet das Eis, denn die Kälte ist arg. Hatte ihn auch der festliche Empfang von Herzen erfreut, so tat es nun der heiße Zimtwein nicht minder, den man ihm in der Burg kredenzte. "ist gar eine schöne Stadt!" wandte er sich frohgelaunt an seine Räte. "Und Ihre Leute scheinen mir liebenswert!"

"Da sagt Ihr recht, Herr!" sprach Bischof Eckberg von Bamberg, des Kaisers ständiger Begleiter. "Das ist ein Fleckchen Erde, das einen leicht nimmer losläßt. Und was die Menschen ankommt; das ist eine seltsame Art! Steckt in einem ihrer Geringsten oft mehr Geist und Witz als anderwärts in einer ganzen Ratsstube! Zum Exempel dieser Schmied in der Naglergasse: Tagsüber schafft er am Amboß. So er aber vier Groschen verdient hat, läßt er es genug sein und tut keinen Hammerschlag mehr, ging es auch um einen Beutel Goldes! Den ersten Groschen zum Verwerfen, den zweiten zum Verschenken, den dritten zum Erstatten und den vierten zum Verwenden. Ihrer vier sind mir genug!', so sagt er, und hat auf weitere Fragen nur ein stummes Lächeln." Der Kaiser äußerte den Wunsch, diesen seltsamen Menschen kennen zu lernen. Und als man zur Vesper läutete, trat der Staufer, nur von seinem Geistlichen Rat begleitet, in das Schmiedehaus im Naglergäßchen.

Meister Martin, der Eisenarm, wie man ihn allenthalben nannte, rüstete sich eben zum Ausgang. Nun neigte er vor dem hohen Gast sein Haupt. Ergeben, doch nicht ohne Würde, wie es einem ehrbaren Bürger geziemet.

"Höre, guter Freund!" sprach der Kaiser gnädig. "Dieses Schwert hier ist im Knauf gelockert. Du sollst es wieder festigen. In einer Stunde bringst du es in die Burg. An Lohn soll es dir nicht mangeln." Mit diesen Worten gürtete der Staufer sein Schwert von den Lenden und legte es auf den Amboß. Der Schmied schüttelte langsam sein kantiges Haupt. "Verzeihet, Herr! Doch heute geht es nimmermehr. Morgen aber, zur Frühmesse, ist das Schwert in Euren Händen. Da mögt Ihr mir vier Groschen geben. Das sei genug des Lohnes!"

 

Der Kaiser runzelte die Brauen. Ein Zornblick sprühte aus seinen Augen. Meister Martin stand unbewegt. Er war an Funken gewöhnt.

"Nun denn - es sei!" sagte Friedrich sich besinnend. Eines aber sollst du mir nicht abschlagen: Welch' Bewandtnis hat es mit deinem Taglohn, den du niemals überschreiten magst?"

Auf Meister Martins Antlitz spiegelte sich ein innerer Kampf. Da bedeutete der Kaiser seinem Begleiter, den Raum zu verlassen.

"So höret, Herr!" begann der Schmied zu sprechen.

"Den ersten Groschen verwerfe ich: Er verinnt in den Händen meiner Frau. - Den zweiten verschenke ich: an einen Armen um Gottes willen! - Den dritten erstatt' ich: an meinen Vater aus Pflicht! - Den letzten aber verwend' ich: für einen Krug Wein zu meiner Gesundheit!"

Der Kaiser fand diese Rede aber so ergötzlich, daß er lächelnd in die Tasche griff und ein Goldstück auf den Amboß legte.

"Nimm es ruhig! Das ist kein Hammerlohn, das dankst du deinem Hirn. Was aber deine kluge Rede betrifft: Du sagst sie keinem Menschen mehr, ehe du mich nicht hundertmal von Angesicht gesehen!"

Damit verließ der Kaiser das Schmiedehaus.

Des Abends aber, als der Staufer im Kreise seiner getreuen Räte beim Becher saß, beschloß er, ihren Scharfsinn zu erproben, und hieß sie auf die seltsame Verwendung der vier Groschen raten. Doch keiner der Herren vermochte ihren Sinn zu erkennen.

"Ei, ihr Tröpfe!" schalt sie der Kaiser spottend. Eure Hilfe dünkt mir wahrhaft armselig, da ihr nicht einmal bei Groschen Bescheid wisset! - Bis zum Morgen gebe ich euch Frist, dann will ich mich um klügere Männer umtun!"

Die Herren verließen mit roten Köpfen den Tisch. Heinrich von Wilhering aber, der jüngste der Räte, rannte spornstreichs in die Naglergasse. Er ahnte einen Zusammenhang dieser Frage mit dem Besuch des Kaisers in der Schmiede.

Eben war der Meister aus der Weinstube heimgekehrt, wo er einen Groschen "verwendete". Herr Wilhering bestürmte ihn sogleich, sein Geheimnis preiszugeben. Der Schmied schüttelte ablehnend seinen wuchtigen Schädel. Als aber der Besucher immer eindringlicher wurde, sprach er endlich: "Da es um Euer Brot geht, will ich ein Einsehen haben. Es kostet Euch aber achtundneunzig Goldfüchse - keinen Groschen weniger!"

Der Wilhering machte ein saures Gesicht. Da aber keine Wahl blieb, begann er seufzend die Goldstücke aufzuzählen. Meister Martin betrachtete sie Stück für Stück mit großer Aufmerksamkeit, und, als er das letzte geprüft hatte, verriet er dem Besucher das Geheimnis der vier Groschen. Beglückt eilte der Wilhering mit seiner teueren Weisheit von dannen. Als man zur Frühmesse läutete, trat Meister Martin in die Burg, um sein Versprechen einzuhalten und das Schwert zu liefern. Man führte ihn sogleich vor den Kaiser . War das ein übler Empfang! "So also achtest du deines Kaisers Wort?!" fuhr ihn der Staufer an. "Daß du es verrätst, noch ehe der Tag sich rundet!? Wahrhaftig, Mann, ich hätte Besseres vermutet!"

Martin, der Eisenarm, sah jedoch dem Kaiser frei ins zürnende Auge. "Mitnichten, Herr! Ich habe Euer geachtet, wie es mir zukommt! - Befahlt Ihr mir nicht zu schweigen, bis ich hundertmal Euer Antlitz geschaut? Das erstemal sah ich es, da Ihr zu mir ins Haus tratet - das zweitemal auf dem Goldstück, das Ihr mir geschenkt - und achtundneunzigmal grüßte ich Euer erlauchtes Antlitz auf den Füchslein des Herrn von Wilhering! - Damit aber war meiner Pflicht genüget!"

"O Meister Martin, du kluger Schelm!" rief der Staufer halb im Scherz, halb im Ernst. "Laß doch den Hammer fahren! Dein Kopf ist Amt und Ehren wert!"

Martin, der Schmied, sah hinab auf seine klobigen Hände. "Tät' sich wohl wenig schicken, Herr!" sagte er

"könnt' am Ende gar vergessen, daß ich nit mehr brauch denn vier Gröschlein."