Choose a language ...
Change font size

Wetterregel und Lostage für das Gebiet der Steiermark.

Von Leopold Bein.

Dort und da stößt man in einem Buche auf eine Geschichte, in der erzählt wird, wie einmal der liebe Gott einem unzufriedenen Landmann das Wettermachen überläßt. Es dauert natürlich nicht lange, so geht alles darunter und drüber. In heller Verzweiflung kommt der Landmann wieder zum Himmelsvater und gibt ihm das Amt des Wettermachens zurück. Er hat nun einsehen gelernt, daß der Mensch sich nicht anmaßen solle, was ihm nicht zukommt und daß er die weise Ordnung und Erhabenheit der Natur nicht verbessern könne.

Zu allen Zeiten war die Witterung von großem Einfluß nicht nur auf die Fruchtbarkeit eines Landes, sondern auch auf die Lebewesen, vor allem auf die Menschen, die diesen oder jenen Himmelsstrich bewohnten. Die Wissenschaft, die sich die Erforschung der Lebensverhältnisse und Zustände der Menschen längst vergangener Zeit zur Aufgabe gemacht hat, hat nachgewiesen, wie sehr gerade Witterungsverhältnisse, sagen wir kurz das Klima, die Ursache großer Siedlungsveränderungen waren und daß manche große Wanderungen von Völkern ihre Hauptursache in den Einflüssen der Witterung hatten.

Von entscheidender Bedeutung aber wurde das Wetter auf Mensch, Tier und Boden von den Zeiten an, da jener vom Nomaden und Jägerleben zum Ackerbau überging und dadurch seßhaft wurde. Und das ist so geblieben bis auf den heutigen Tag durch Hunderte, ja Tausende von Jahren. Des Bauers erster Blick, wenn er am Morgen vor die Haustür tritt, ist gegen den Himmel gerichtet und wenn die Nacht über die Zäune seines Hofes steigt und er ermüdet sein Lager aufsucht, ist das Wetter hundertmal sein letzter Gedanke. Nicht nur das tägliche Brot für den Menschen, sondern auch das tägliche Futter für Groß- und Kleinvieh, all das hängt vom richtigen, günstigen Wetter ab. Viele Regentage, anhaltende Fröste im Frühjahr und Herbst, Hitze und anhaltende Dürre - und das Mißjahr ist da! Und Land und Stadt bis in die kleinste Hütte und Stube wird von einer solchen Mißernte betroffen. Kann es uns da Wunder nehmen, wenn die Sorge um das Wetter den Bauern durchs ganze Leben begleitet? Eines war freilich für den Ackerbauer von Anfang an günstig: Von Kindheit an in der Natur und mit der heiligen Ackerscholle verbunden, konnte er bei der Arbeit und in Feierstunden die Natur und alle Vorgänge in ihr beobachten. Seine Tätigkeit, sein Beruf, der ehrwürdigste und notwendigste auf Gottes weiter Erde, hat ihn gewiß förmlich dazu gezwungen. Aber diesen Zwang spürt er nicht, es war für ihn ja fast etwas natürliches. Immer draußen in der "Einöden", das ist in der menschenleeren Einsamkeit, von der Stille der Felder, Wiesen und Wälder umgeben, waren seine Sinne an sie gebunden; Tage, Monate, Jahr für Jahr rollten sich die verschiedenen regelmäßigen Naturerscheinungen, wie Sonnen- und Mondauf- und untergänge und die Jahreszeiten ab, aber auch all die anderen, Stürme, Gewitter, Überschwemmungen, Dürre, Finsternisse usw. (denn daß auch letztere regelmäßige Erscheinungen sind, ist ihm wohl auch heute noch meist unbekannt). Der hundert- und tausendjährige Umgang mit der Natur hat seine Sinne und auch sein Gedächtnis für die Vorgänge in jener außerordentlich geschärft. Aus der Natur schöpft er nun - der Anfang geht weit, weit in die Vergangenheit zurück - seine Erfahrungen über alle Naturerscheinungen und diese seine Erfahrung prägte er sicher schon sehr früh in gewisse Sätze, und zwar am liebsten in Versform, die häufig wieder durch (oft grobe, sogenannte unreine) Reime gebunden sind. Diese Wetterregeln prägte er seinem Gedächtnis ein. Die regelmäßigen Naturerscheinungen, die ihm Auf- und Untergang der Sonne und des Mondes, der Wechsel der Jahreszeiten und einige andere boten, sowie diese Wetterregeln - das machte den Kalender des Landvolkes aus. Im Altertum kamen hiezu noch gewisse Kulttage und -Feste und auf dem Boden des christlichen Abendlandes die kirchlichen Festkreise, Fest- und Feiertage und die mannigfaltigen Heiligentage.

Im Grunde war der Kalender des Bauern von jeher ein Naturkalender und ist es in gewissem Sinne bis auf den heutigen Tag. Dieser Naturkalender war ein ungeschriebener Kalender, der im Gedächtnisse des Volkes, vor allem des Bauernvolkes, festgehalten wurde. Der Bauer unserer Zeit, der bereits lesen und schreiben gelernt hat, greift freilich vielfach schon nach dem gedruckten Buchkalender, in dem er allerlei Geschichten und Bilder findet. Aber die alten Bauern, besonders die unserer einschichtigen Berge und Gräben, kennen heute ( ~ 1920) noch nichts anderes als den alten Mandlkalender, in dem nur Mandln und allerlei Zeichen stehen, aber kein gedrucktes Wort. Da weiß er Bescheid wie irgendein Gebildeter in seinem Lesebuch. Die Wetterregeln oder "Witterungspraktiken", wie man sie im ganzen Mittelalter nannte, nehmen im alten Bauernkalender (dessen letzter Rest der Mandlkalender ist) einen großen Raum ein. Aber neben diesen gab es noch eine Menge anderer, ungeschriebener. Viele von diesen Wetterregeln sind sehr alt und man geht nicht fehl, anzunehmen, daß viele von ihnen in ihrem Kern in die Vorzeit zurückgehen. Es ist gewiß, daß es in der großen Menge der Wetterregeln auch "unechte" gibt, das heißt solche, die nicht aus der langjährigen Erfahrung des Volkes hervorgegangen, sondern in jüngerer Zeit in anderen Kreisen entstanden sind.

Die Wetterregeln zerfallen in zwei Gruppen: in allgemeine Wetterregeln und in Lostage. Die Lostage sind Wetterregeln, die (zumeist) an bestimmte Tage bzw. an die Heiligen geknüpft sind, nach denen diese Tage benannt sind. Sie beziehen sich auf die Witterung, die von diesem Tage an oder einige Zeit darauf eintreten soll und für eine Reihe Tagen, oft auch auf längere Zeitfolge Gültigkeit hat.

Wie immer man über die Wetterregeln urteilen mag, besonders über ihre Berechtigung oder Zuverlässigkeit, ein Korn Wahrheit steckt gewiß in den alten, echten Wetterregeln und vor allem wahr ist die tausendjährige Erfahrung aus der Natur, die aus diesen Wetterregeln heute noch zu uns spricht. Jedenfalls bilden sie ein merkwürdiges und des Festhaltens wertes Stück alten Volksgutes.

Jänner:

Tanzen im Januar die Mucken,

muß der Bauer nach Futter gucken.

Ist der Jänner naß,

bleibet leer das Faß.

Lostage:

Pauli Bekehr hell und klar

gibt ein gutes Weinjahr.

Vinzenzen Sonnenschein

bringt viel Korn und Wein.

Februar:

Wenn's der Hornung gnädig macht,

bringt der Lenz den Frost bei Nacht.

Friert es nicht im Hornung ein,

wird's ein schlechtes Kornjahr sein.

Hornung hell und klar

gibt ein gutes Flachsjahr.

Lostage:

Sonnt sich der Dachs in der Lichtmeßwoch'

geht er in vier Wochen wieder ins Loch.

Mattheis bricht's Eis,

find't er keins,

so macht er eins.

März:

Ein feuchter, fauler März

ist des Bauern Schmerz.

Märzenschnee

tut dem Bauern weh.

Märzenstaub

bringt Gras und Laub.

Lostage:

Ist's an Josephus klar,

wird's ein gesegnet Jahr.

Mariä Verkündigung

kommen die Schwalben wiederum.

Sankt Gregor hell und klar

gibt ein gutes Obstjahr.

Regnet's am Tage Vierzig Märtyrer,

regnet es vierzig Tage.

April:

April tut was er will.

Donnert's im April,

so hat der Reif sein Ziel.

April warm, Mai kühl, Juni naß,

füllt dem Bauern Scheune und Faß.

Lostage:

Ist Georgi warm und schön,

wird man noch rauhes Wetter sehn.

Ist Palmsonntag hell und klar,

gibt's ein fruchtbar Jahr.

Mai:

Maientau

macht grün die Au.

Maienfröste

unnütze Gäste.

Kühler Mai

bringt Stroh und Heu.

Viel Gewitter im Mai,

schreit der Bauer Juchei.

Lostage:

Pankraz und Urbani ohne Regen

bringt Wein und Erntesegen.

Wie das Wetter am Himmelfahrtstag,

so auch der ganze Herbst sein mag.

Juni:

Wenn kalt und naß der Juni war,

verdirbt er meist das ganze Jahr.

Ist der Juni warm und naß,

gibt's viel Korn und viel Gras.

Lostage:

Wer auf Medardus baut,

kriegt viel Flachs und Kraut.

Wenn der Kuckuck noch lang nach Johannis schreit,

wird schlechte und teure Zeit.

Juli:

Sind die Hundstage klar,

so folgt ein gutes Jahr.

Im Juli muß braten,

was im September soll g'raten.

Wenn der Kuckuck noch lang im Juli schreit,

wird eine schlechte und teure Zeit.

Lostage:

Jakobi klar und rein,

wird's Christfest kalt und frostig sein.

Margaretentag Regen,

bringt seinen Segen.

Regnet's an Unserem Frauentag,

so regnet's noch vierzig Tag.

August:

Ist's in der ersten Wochen heiß,

so bleibt der Winter lange weiß.

Was der August nicht kocht,

läßt der September unbraten.

Lostage:

Mariä Himmelfahrt Sonnenschein,

bringt viel guten Wein.

Hat unsere Frau gut Wetter,

wenn sie zum Himmel fährt,

gewiß sie guten Wein beschert.

September:

Donner im September prophezeiht

viel Schnee zur Weihnachtszeit.

Fällt im Wald das Laub sehr schnell,

ist der Winter bald zur Stell.

Lostage:

Regnet's am Michaelitag,

kommt ein milder Winter nach.

Mariä Geburt

fliegen die Schwalben furt.

Oktober:

Viel Regen im Oktober,

viel Wind im Dezember.

Graben die Mäuse tief sich ein,

wird's ein harter Winter sein.

Lostage:

Wenn Simon und Judas vorbei,

kommt der Winter herbei.

Ist St. Gallen trocken,

folgt ein Sommer mit nassen Socken.

Nach St. Gall

bleibt die Kuh im Stall.

November:

Viel und langer Schnee

gibt viel Frucht und Klee.

Im November viel Naß,

auf den Wiesen viel Gras.

Lostage:

Sankt Martin,

Feuer im Karmin.

Wenn's auf Martini regnen tut,

das ist der Saat gar nicht gut.

Andreasschnee

tut dem Korn weh.

Andreas hell und klar,

bringt ein gutes Jahr.

Dezember:

Dezember kalt mit Schnee,

gibt Korn auf jeder Höh'.

So kalt im Dezember,

so heiß wird's im Juni.

Grüne Weihnachten,

weiße Ostern.

Wintert's vor Weihnachten nicht,

so wintert's nach.

Lostage:

Ist die Christnacht hell und klar,

folgt ein gesegnet Jahr.

Wie das Wetter von Christtag bis Dreikönig,

so ist's das ganze Jahr bestellt.