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Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt am 31.12.2023 wurde die Novelle des Verbotsgesetzes („Bundesverfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP“) und einer Reihe anderer Bestimmungen rechtswirksam verlautbart. Die Reform war zuvor öffentlich und medial breit diskutiert worden.

Neben einer Änderung der im Gesetz enthaltenen Strafbestimmungen, die nationalsozialistische Vereinigungen und Wiederbetätigung unter gerichtliche Strafe stellen, wurde mit § 3n Verbotsgesetz auch eine Regelung über die Einziehung von Gegenständen mit Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus getroffen. Der Gesetzestext lautet:

Gegenstände, die auf Grund ihrer besonderen Beschaffenheit dazu geeignet sind, zur Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen nach diesem Bundesverfassungsgesetz verwendet zu werden, sind, sofern nicht bereits die Voraussetzungen der Einziehung nach § 26 StGB oder nach § 33 des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, vorliegen, auch einzuziehen, wenn keine bestimmte Person wegen einer Straftat nach diesem Bundesverfassungsgesetz verfolgt oder verurteilt werden kann, es sei denn, der Verfügungsberechtigte bietet Gewähr dafür, dass die Gegenstände nicht zur Begehung strafbarer Handlungen verwendet werden.

Die Regelung zielt darauf ab, Devotionalien oder andere Gegenstände auch dann einziehen zu können, wenn keine strafgerichtliche Verurteilung erfolgt.

Es wurden daraufhin Bedenken, ob alle Gegenstände, die einen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus aufweisen, von dieser Regelung betroffen sind und z.B. auch die Taufscheine von Familienmitgliedern, sonstige Dokumente mit den damals amtlichen Vermerken, Stempeln usw., Bilder von Familienangehörigen oder Briefmarken unter diese Bestimmung fallen und daher jederzeit von den Behörden eingezogen werden könnten. Es wurden auch Überlegungen laut, private Unterlagen aus dieser Zeit vorsorglich zu vernichten, um keine Einziehung riskieren zu müssen.

Unser Verein FAMILIA AUSTRIA hat vor der Gesetzeswerdung Kontakt mit den Legisten im Bundesministerium für Justiz aufgenommen. In einem persönlichen Gespräch mit den zuständigen Juristen haben Präsident Günter Ofner und stellvertretender Präsident Dr. Alexander Weber die möglichen – und aus Sicht des Vereins – ungewollten Auswirkungen der Einziehungsbestimmung auf die private Familienforschung, auf Bibliotheken und Archive und Historiker, die sich mit dieser Zeit beschäftigen, erläutert. Namens des Vereins wiesen sie insbesondere darauf hin, dass diese Unsicherheit unabhängig von der juristischen Auslegung der Bestimmung in der weiten Fassung des Wortlauts liegt, die auf Forschungszwecke keinen Bezug nimmt.

Seitens des Bundesministeriums für Justiz wurde uns zugesagt, diese Bedenken im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen.

Erfreulicherweise haben die von uns vorgetragenen Aspekte in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, die zur Auslegung des Gesetzes herangezogen werden, Eingang gefunden. Darin heißt es:

Diese Gegenstände sollen grundsätzlich auch dann eingezogen werden können, wenn sie keiner konkreten mit Strafe bedrohten Handlung zugeordnet werden können. Um Personen, die derartige Gegenstände nicht zur Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen nach dem VerbotsG verwenden wollen, den weiteren Besitz derselben zu ermöglichen, soll die Bestimmung eine Ausnahme vorsehen:

Demnach soll der über derartige Gegenstände Verfügungsberechtigte dafür Gewähr bieten können, dass die Gegenstände nicht zur Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen verwendet werden, und die Gegenstände dann trotz ihrer Eignung behalten können. „Gewähr bieten“ soll dabei keine besondere Form der Garantie ansprechen, sondern lediglich eine durch die Strafverfolgungsbehörden zu beurteilende Erklärung des Verfügungsberechtigten zur weiteren Verwendung der Gegenstände. Der Verfügungsberechtigte kann daher etwa erklären, die Gegenstände aus wissenschaftlichen Gründen oder zum Zweck der Ausstellung in einem (anerkannten) Museum behalten zu wollen. Ebenso soll die Erklärung des Betroffenen, Dokumente und Fotos von Verwandten aufzubewahren oder zur Aufarbeitung der Familiengeschichte etwa im Rahmen der Erstellung einer Familienchronik verwenden zu wollen, als geeignete Gewährleistung angesehen werden können. In der Regel wird mit derartigen Erklärungen schon das Auslangen gefunden werden können, wenn die dargetanen Gründe plausibel erscheinen und auch aus der Person des Verfügungsberechtigten nichts Gegenteiliges ableitbar ist. In anderen Konstellationen können weitere Ausführungen des Verfügungsberechtigten zur Verhinderung mit Strafe bedrohter Handlungen erforderlich werden, beispielsweise kann ihm zur Beurteilung des Vorliegens der Ausnahme die Erklärung abverlangt werden, wie und wo er die Gegenstände aufzubewahren beabsichtigt, dass er sie anderen nicht zugänglich machen wird oder in welcher Form er sie der Öffentlichkeit präsentieren möchte. So kann etwa die Ausstellung des Buches „Mein Kampf“ ohne nähere Erklärungen oder nähere Aufbereitung den Anforderungen an die vorgeschlagene Ausnahme nicht gerecht werden, würde dadurch doch schon ein Wiederbetätigungsvorsatz indiziert werden (vgl. dazu Öner/Schön in Leukauf/Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze3, § 3g VerbotsG Rz 11) und damit gerade nicht der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung entgegengesteuert. Bei Personen, die einschlägig bekannt sind, werden all diese Erklärungen demgegenüber nicht ausreichen, um Gewähr dafür zu bieten, dass die Gegenstände nicht zur Begehung strafbarer Handlungen verwendet werden. Ihnen soll die vorgeschlagene Ausnahme daher grundsätzlich nicht zugutekommen.

Damit ist aus unserer Sicht klargestellt, dass es auf die Beurteilung des einzelnen Falles ankommt, ob ein Gegenstand der Einziehung unterliegen wird oder nicht. Ein Gegenstand, der als Erinnerungsstück an einen Vorfahren aufbewahrt wird und in angemessener Weise verwahrt wird, ist wohl anders zu beurteilen als derselbe Gegenstand, der bei einschlägigen Veranstaltungen  oder zur Verherrlichung der Ideologie verwendet wird.

Auch im Einführungserlass des Bundesministeriums für Justiz vom 10.01.2024 wurde unseren Bedenken Rechnung getragen:

Das Gesetz geht daher künftig davon aus, dass derartige Gegenstände einzuziehen sind. Selbstverständlich kann es auch triftige Gründe geben, warum man derartige Gegenstände besitzt: So haben etwa (anerkannte, nicht selbst ernannte) Museen ein wissenschaftliches Interesse an derartigen Dingen oder wollen durch deren Ausstellung aufklären und/oder bilden. Privatpersonen, die Fotos, Dokumente oder Gegenstände von Familienangehörigen aufbewahren, haben oft ein Interesse an der Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte oder verfügen über keine weiteren Erinnerungsstücke an bereits verstorbene Personen. Derart nachvollziehbare Gründe für den Besitz von NS-Materialien müssen es ermöglichen, diese Gegenstände zu behalten. Die Besitzer:innen derartiger Gegenstände können daher dafür Gewähr dafür bieten, dass die Sachen nicht zur Begehung strafbarer Handlungen nach dem VerbotsG verwendet werden. Dazu braucht es keine bestimmten Formkriterien folgende Erklärung, es wird vielmehr eine entsprechend nachvollziehbare, formlose Stellungnahme genügen. Nehmen die Strafverfolgungsbehörden diese Erklärung als Gewährleistung iSd § 3n VerbotsG an, so können die betroffenen Gegenstände wieder an die Besitzer:innen ausgefolgt bzw. bei ihnen belassen werden.

Der Verein FAMILIA AUSTRIA bedankt sich daher bei Herrn Präsidenten Günter Ofner und Herrn stellvertretenden Präsidenten Dr. Alexander Weber für ihre Bemühungen. Der Verein FAMILIA AUSTRIA hat damit ein weiteres Mal eine wichtige Klarstellung für die familien- und ortsgeschichtliche Forschung in Österreich bereits im Gesetzgebungsprozess erreichen können.

Der Vorstand von Familia Austria