Wählen Sie die Sprache der Netzseite ...
Schriftgröße ändern

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Familysearch hat nun Fotos der Originale aller Bände der Wiener Totenbeschauprotokolle 1648-1920 ins Netz gestellt.
Die Totenbeschauprotokolle wurden/werden von der Stadt Wien erstellt und sind eine von den Matriken (Kirchenbüchern) völlig unabhängige Quelle.
Im Unterschied zu diesen enthalten sie die Verstorbenen aller Konfessionen und sind beispielsweise die einzige systematische personengeschichtliche Quelle über Juden und andere Nichtchristen in Wien vor 1784.

 
ZEITLICHE LÜCKEN

Diese Totenbeschauprotokolle weisen im 17. Jahrhundert kleine Lücken auf:
- 1. Nov. 1656 - 31. Dez. 1658
- 1. Juli 1676 - 31. Dez. 1677
- 11. Okt. - 31. Dez. 1663,
sind aber ansonsten die vollständigste Quelle über Sterbefälle in Wien.
 

GELTUNGSBEREICH

Der Geltungsbereich des Wiener Totenbeschreibamtes war:
1648-1705: (Innere) Stadt, sowie die Orte Leopoldstadt, Jägerzeile, Weißgerber, Landstraße, Wieden, Laimgrube, Windmühle, Mariahilf, Spittelberg, Josefstadt, Alsergrund (Alserstraße, Währingergasse) und Rossau.
Ab 1649 zeitweilig, ab 1679 dauernd zusätzlich auch St. Ulrich.
Ab 1705 zusätzlich das gesamte Gebiet innerhalb des Linienwalls - also etwa des Gürtels (zu den oben genannten) zusätzlich noch die Orte: Erdberg, Hundsturm, Reinprechtsdorf, Margareten, Matzleinsdorf, Gumpendorf, Nikolsdorf, Thury, Konradswörth, Mühlfeld
Ab 1707 zusätzlich Lichtental
Ab 1892 zusätzlich die Vororte außerhalb des Gürtels
Ab 1906 zusätzlich Floridsdorf
Ab 1909 zusätzlich Strebersdorf

 

AUSNAHMEN - NICHT ENTHALTENE GRUPPEN

Erfaßt sind alle Menschen, die innerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs des Wiener Totenbeschreibamtes verstorben sind, unabhängig vom sozialem Stand, der Konfession, dem Alter, dem Geschlecht und der Herkunft.
Ausnahmen (diese Personengruppen sind nicht oder nur manchmal enthalten):
- Mitglieder des Herrscherhauses
- auswärtige Geschäftsträger (= Diplomaten), nicht durchgehend enthalten
- Angehörige des Hochadels (nur zu Beginn nicht enthalten)
- Ordensgeistliche, die ihre Toten in eigenen Friedhöfen bestatteten
- Justifizierte (= Hingerichtete), erst ab dem späten 19. Jht. enthalten
- Kinder unter einem Jahr, fehlen zeitweise

 

AUSWÄRTIGE - NICHTWIENER

Enthalten sind nicht nur die in Wien verstorbenen Wiener, sondern alle Menschen, die hier, innerhalb der jeweiligen Stadtgrenzen (Geltungsbereich des Stadtrechts), verstorben sind.
Da Wien von 1612-1740 sowie von 1745-1806 Reichshaupt- und Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) war, sind hier auch zahlreiche Diplomaten und Gesandte aus ganz Europa verstorben, ebenso deren Familienangehörige, Mitarbeiter und Bedienstete.
Wien, an der Kreuzung zweier bedeutender Verkehrswege gelegen (Donauroute und "Bernsteinstraße" von Schlesien und Polen (Krakau) über Mähren an die obere Adria - Triest, Venedig, Fiume), war auch einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Europas. Viele Durchreisende haben längere Rastpausen in Wien gemacht und viele von ihnen sind auch hier gestorben, so beispielsweise auch zehntausende Menschen aus Süd- und Westdeutschland, die späteren "Donauschwaben" und "Galiziendeutsche", die unterwegs in ihre neue Heimat waren, oder auch zurück in die Herkunftsländer.
Durchreisende Soldaten, Kaufleute, Handwerksburschen auf der Walz, Wandermönche, Musikanten, Spielleute, Gaukler, Schauspieler, Wundärzte, Zahnbrecher, Starstecher, frühe Touristen, Glücksritter, Diebsgesindel usw. sind ebenso hier gestorben wie mancher durchreisende Fuhrmann, viele Bauersleute aus dem Umland, die hier auf den Märkten verkauft haben und viele, die hier Verwandte oder Freunde besucht haben.
Alma Sedina Henriette Cornelia von Goethe, die Enkelin des Dichterfürsten, sei hier als Beispiel genannt.

 

ENTHALTENE ANGABEN

In den Totenbeschauprotokollen sind in der Regel folgende Angaben enthalten:
Ab 1648 Todestag (bis ins späte 18. Jht. der Beschautag), Vor- und Familienname (bei Kindern der Name des Vaters bzw. der Mutter, bei Ehefrauen der Name des Mannes), Beruf, Wohnort (Hausname), Todesursache und Alter.
Ab 1772 die Konskriptionsnummer (Hausnummer nach Orten) statt des Hausnamens
Ab 1789 der Name des Totenbeschauers
Ab 1804 der Geburtsort, ab 1775 schon häufiger angegeben; bei Auswärtigen seit 1648 die Herkunft
Ab 1811 der Familienstand, bei Frauen schon ab 1648
Ab 1841 durchgehend die Religion, bereits von 1648-1785 wurden auch alle Nichtchristen (meist Juden) und viele Evangelische gekennzeichnet
Ab 1852 bei in Krankenanstalten Verstorbenen immer auch Angabe des Wohnorts
Ab 1853 Eintragung in vorgedruckten Formularen
Ab 1862 Ordnungsnummer (Hausnummer nach Straßen) statt der Konskriptionsnummer, einige Monate lang beide
Ab 1867 die Heimatzuständigkeit
Ab 1897 der Friedhof
Ab 1900 die Sterbematrik
Ab 1901 das Geburtsdatum, bereits ab 1896 häufig

 

ORDNUNGSPRINZIPIEN

1648-1752: Ordnung chronologisch nach dem Datum der Totenbeschau, teilweise mit Index

21. April 1752-1891: Ordnung alphabetisch nach Anfangsbuchstaben des Familiennamen, innerhalb des Buchstabens dann nach dem Todesdatum

1892-30. Juni 1917: Ordnung alphabetisch nach Anfangsbuchstaben der Familiennamen, dann nach den Monaten, dann nach Bezirken, die Bezirke 1-9 und 20 (Wien bis 1874) sind gemeinsam aufgelistet, die Bezirke 10-21 jeweils getrennt; innerhalb dieser Bezirksblöcke chronologisch

1. Juli 1917-31. August 1920: Ordnung alphabetisch nach Anfangsbuchstaben der Familiennamen, dann nach den Monaten für alle Bezirke gemeinsam chronologisch. Die Buchstaben werden nach dem dem Anfangsbuchstaben folgenden ersten Vokal unterteilt: a, e, i, o, u und au (ai, ei, eu).

Oft gibt es eigene Register für Acatholiken (alle Christen, außer den röm.-Katholiken), Juden, vom k.k. Landgericht Beschaute, uneheliche Kinder, unbekannte Tote, usw.

 

Sie finden die Wiener Totenbeschauprotokolle 1648-1920 hier:
https://www.familysearch.org/search/catalog/22998?availability=Family%20History%20Library

Das Wiener Stadt- und Landesarchiv hat bereits im Jahr 2015 die Protokolle der Jahre 1648-1700 ins Netz gestellt.
Hier handelt es sich um sehr schöne neue Farb-Scanns, während Familysearch offenbar alte schwarzweiße Mikrofilme digitaisiert hat.  
Hier findet man auch eine detaillierte Beschreibung.
https://www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Ser+++++00000354ma8Invent#Ser_____00000354ma8Invent
(unten auf das + klicken)

 

SUCHMÖGLICHKEITEN

Familia Austria hat in vieljähriger Arbeit Suchdatenbanken für die Wiener Totenbeschauprotokolle erstellt
https://www.familia-austria.at/index.php/aktuell/archiv-2016/1089-unser-projekt-wiener-zeitung-ist-fertig

Die Zeitbereiche 1648-1694, Jänner 1700 sowie August 1703- August 1901 sind fertig:

1648-1694: Zettelindex der Totenbeschauprotokolle in unserer Sterbe-Datenbank:
https://www.familia-austria.at/index.php/datensammlungen/sterbefaelle
sowie sowie Jänner 1700

Aug. 1703 - August 1901: Datenbank "Wiener Zeitung" (WZ, dort wurden bis 1896 die Totenbeschauprotokolle abgedruckt), ab April 1896 aus den "Verzeichnissen der Verstorbenen in Wien" (VVW)
https://www.familia-austria.at/index.php/datensammlungen/wz

Die Zeitbereiche 1648-1694, Jänner 1700 sowie August 1703-August 1902, sowie einige Monate im Bereich 1910-1919.
in unserer kombinierten Datenbank Sterbefälle Wien
https://www.familia-austria.at/index.php/datensammlungen/sterbefaelle-wien

Da die Informationen in den Original - Totenbeschauprotokollen oft über die in WZ und VVW gedruckten hinausgehen, empfiehlt es sich nun immer auch in den Originalen nachzusehen. Und, falls erhalten, auch in den Matriken (Kirchenbüchern).

 

Mit freundlichen Grüßen
Günter Ofner