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Albrecht von Wallenstein, der Friedländer

Von Prof. Leo Smolle, veröffentlicht 1888

Schon unter Maximilian , diesem edlen und ritterlichen Fürsten, begann die Kirchenspaltung im Deutschen Reiche. Sie sollte ein Jahrhundert später zu jenem unseligen Kriege führen, der dreißig Jahre hindurch deutsches Land verwüstete und verheerte und die Blüte des deutschen Volkes für lange Zeit knickte. Man glaubt es kaum, welch furchtbares Elend dieser Krieg über all die Länder gebracht, die er heimgesucht hatte. Von manchem blühenden, volkreichen Dorfe war oft nur ein Schutt, und Trümmerhaufen übrig; traurig ragte noch das Kirchlein mit seinem zerschossenen Turme aus der rauchenden Brandstätte empor. Ginster und Heidekraut wuchs auf den Feldern, der Kornacker starrte von Dörnern und wildem Gestrüpp. Die Bewohner waren in den nahen Wald geflohen; ab und zu schlich braunes Zigeunervolk um die Hecken, an die einst die letzten Häuser des Dorfes gestoßen, und spähte mit funkelnden Augen herum, ob nicht doch noch ein Stück Beute unter den Sparren und Sträuchern, dem verkohlten Gebälke und dem wild wachsenden Buschwerke zu finden wäre.

So sah es in vielen, vielen Gegenden Deutschlands aus; aber ebenso arg war es in manchen Teilen unseres Vaterlandes (Österreich) beschaffen. In Böhmen und Mähren allein rechnet man außer vielen zerstörten Städten und Marktflecken an tausend Dörfer, die ganz vom Erdboden verschwanden, so daß man von den meisten gar nicht mehr den Platz angeben konnte, wo sie einstens gestanden, und diese beiden Kronländer erfreuten sich doch vor dem Kriege stattlicher Dorfschaften und gesegneter Fluren. Im Herzen Böhmens hatte die Kriegsfackel emporzulodern begonnen; in Prag verlosch auch ihr letzter Funke. Schon hatte der schwedische General Königsmark die Kleinseite Prags eingenommen und stürmte mit aller Wut die über der Moldau gelegene, von ihren Bürgern mit Heldenmut verteidigte Altstadt, als die Kunde von dem in Westfalen abgeschlossenen Friedenswerke endlich auch bis nach Böhmen drang und die Schwerter auch hier in die Scheide fuhren. Im letzten Viertel dieses blutigen Krieges war es auch, daß die Landeshauptstadt Mährens eine glänzende Probe tapferer Ausdauer und Vaterlandsliebe an den Tag legte. Sechzehn lange harte Wochen, vom 3. Mai bis zum 23. August 1645, belagerte der wilde Torstenson Brünn, bis endlich die Schweden, an jedem Erfolge verzweifelnd, die Laufgräben und Schanzen im Stiche ließen und wieder nach Olmütz abzogen. Ludwig Radwit de S o u c h e s , aus verarmtem französischen Adelsgeschlechte, von dem dankbaren Kaiser später in den Grafenstand erhoben, war der treffliche Kommandant Brünns, der damals alle Stürme der Schweden siegreich zurückschlug. Nach einem vielbewegten, an soldatischen Ehren reichen Leben starb er hochbetagt zu Brünn, wo in der Stadtpfarrkirche zu St. Jacob sich sein Grabdenkmal erhebt. Noch viele andere tüchtige Heerführer des Kaisers gewannen damals im blutigen Waffenwerk Reichtum und Ehre, keiner aber mehr, als jener Mann, dessen Bild aus dem Elend und den Greueln des Krieges in besonders blendenden Farben hervortritt, doch nicht ohne daß ein seltsames Dunkel auf den Zügen schwebte, die schwere Rätsel und Geheimnisse zu bergen scheinen. Wer würde sich nicht sogleich an die Verse des Dichters erinnern ?

Ihr kennt ihn - den Schöpfer kühner Heere,

Des Lagers Abgott und der Länder Geißel,

Die Stütze und den Schrecken seines Kaisers,

Des Glückes abenteuerlichen Sohn,

Der von der Zeiten Gunst empor getragen,

Der Ehre höchste Staffeln rasch erstieg

Und ungesättigt immer weiter strebend,

Der unbezähmten Ehrsucht Opfer fiel.

Albrecht, Wenzel, Eusebius von Waldstein oder Wallenstein, wie man den Namen gewöhnlich zu nennen pflegt, war der Mann, der im wilden Sturme des dreißigjährigen Krieges durch seines Kaisers Gunst zu dem höchsten Gipfel menschlichen Glückes emporgehoben wurde. Doch nicht zufrieden mit dem Erreichten trieb Eigenwille und Ehrgeiz ihn zum Rande des Abgrundes und ließ ihn jählings in die Tiefe stürzen. Im Schlosse zu Friedland in Böhmen hängt ein Porträt des Feldherrn, zu welchem derselbe dem Maler selbst gesessen und das nach glaubwürdigen Zeugnissen das ähnlichste ist. Eine mittelgroße Gestalt tritt uns auf diesem Bilde entgegen. Den mehr kleinen und auffallend spitzen Kopf umwallt braunes Haar, der spärliche Schnur- und Zwickelbart sind von derselben Farbe. Das schmale, lange Gesicht hat einen müden, seltsam verschleierten Ausdruck und aus den vielen Falten desselben spricht gut versteckte List und Schlauheit. Nur der Ausdruck des Auges kündet den geborenen Feldherren und Herrscher über Viele. Die Tracht ist das allgemeine Officierscostüm jener Tage, wie wir es auch bei Chromwell finden; gelbes Lederkoller, breit über das Wams sich legender, bequasteter weißer Leinwandkragen. Lange Stulpenhandschuhe und hohe Reiterstiefel.-

Es gibt noch viele Bildnisse des berühmten Mannes, so im Rathaussaale zu Eger, in der Galerie des fürstlich Metternich'schen Schlosses Königswerth, im Schlosse Dux bei Teplitz, das den heutigen (i.J.1888) Waldsteins gehört, doch alle diese zeigen ihn weniger ähnlich, als einen finster blickenden Mann mit kurzgeschorenem, roten Haupthaare und gleichfärbigem starken Zwickelbarte.

Er war nicht ein großer Mann in wahrhaftem Sinne des Wortes, denn die edelsten Eigenschaften des Herzens: opferwillige Unterordnung unter eine große Sache und wandellose Treue im Dienste seines Fürsten und seines Vaterlandes fehlten ihm, aber in unruhiger Zeit war ein eiserner Wille ihm eigen und ein fast märchenhafter Zauber ging von seiner Persönlichkeit aus und verfehlte seine Wirkung auf Keinen, der mit ihm in Berührung trat.

Er entstammte einem böhmischen Hause von altem Adel. Geboren am 14.September 1583 auf der Herrschaft Hermanitz im Königsgrätzer Kreise verlor Albrecht von Wallenstein frühzeitig seine Eltern. Er wuchs nun unter der Obhut eines Oheims, Albrecht von Slawata, heran, der ihn in die Schule der Jesuiten nach Olmütz brachte. Hier trat er zum katholischen Glauben über, denn er gehörte früher der Gemeinschaft der böhmischen Brüder an.

Über seiner weiteren Jugendgeschichte schwebt ein gewisses Dunkel. An der Hochschule zu Altorf, wohin er sich der höheren Studien wegen mit seinem Präceptor Johann Heldreich begab, soll er manchen schlimmen Streich verübt haben, weshalb ihn sein Oheim »den Tollen von Waldstein« nannte. Früher war er Edelknabe des Markgrafen von Burgau im Schlosse Amras bei Innsbruck. Hier stürzte er einst zwei Stockwerke hoch vom Geländer des Balkons herab und blieb wunderbarer Weise unverletzt. Von Stunde an glaubte er an seine höhere Bestimmung und daß er zu etwas ganz Besonderem auserlesen sei.

Hierauf machte er größere Reisen und kam nach Italien, auf die Hochschule zu Padua. Hier unter der Leitung des gelehrten Sterndeuters Argoli, vertiefte er sich in die Geheimnisse der Astrologie. Damals meinte man nämlich aus der Stellung und Wandel der Gestirne auf der Menschen Taten und Geschicke schließen zu können. Man wollte des Menschen Zukunft aus den Sternen lesen, und wunderbar! Wallensteins sonst so kalter und berechnender Geist gab sich diesem Aberglauben ganz gefangen. Ein Johann Baptista Zeno ( Schiller's -Seni- ) erscheint seither in seinem nächsten Gefolge.

Schon früh betrat Wallenstein die Laufbahn des Kriegers; sie versprach seinem Ehrgeize und seiner Tatkraft die höchste Befriedigung. Bereits im Jahre 1605 erhielt er eine Hauptmannsstelle; damals stand er im Lager des kaiserlichen Generals Georg Basta vor Gran. Bald darauf vermählte er sich mit einer sehr reichen Witwe, Lucretia Nikesch von Landek. Jetzt schon erwarb er bedeutende Güter und konnte mit allem äußeren Glanze, den er immer um sich zu verbreiten liebte, auftreten.

Dies zeigte sich sogleich, als er des Kaisers Mathias voraussichtlichem Nachfolger, dem Erzherzoge Ferdinand von Innerösterreich, freiwillig Kriegsdienste gegen Venedig leistete. Die Erstürmung Gradiscas war sein Verdienst. Das Fähnlein von 180 Kürassieren und 80 Musketieren, welche Wallenstein dem Erzherzog zuführte, wuchs bald zu einem stattlichen Regimente heran.

Die "schwarzen Reiter" des böhmischen Edelherren waren schmuck herausgeputzt. Wallenstein selbst hielt in seinem Zelte stets offene Tafel. So knüpfte sich an seinen Namen schon damals die Erinnerung an ein lustiges, fröhliches Kriegsleben, und an die tollen Nächte von Gradisca, die im Lager Wallenstein durchschwärmt worden waren, dachte noch lange mancher Kriegskamerad.

»Da geht alles nach Kriegessitt'

Hat alles 'nen großen Schnitt,

Und der Geist, der im ganzen Corps thut leben,

Reißet gewaltig, wie Windeswehen,

Auch den untersten Reiter mit. «

Nun erfolgte der Aufstand in Böhmen, die Schlacht am weißen Berge. Wallenstein hielt treu zur kaiserlichen Partei; er war damals Oberst des mährischen Landaufgebotes und schrieb seinen Vettern, die mit den Empörern gemeinsame Sache machten: »er werde sie mit der Rute züchtigen, wenn sie in seine Hände fielen«. Doch auch in Mähren hatte der Aufstand gesiegt und Wallenstein gelang es, mit der landständischen Kasse an den kaiserlichen Hof zu entfliehen. Deshalb stieg er in der Gunst des Kaiser Ferdinand II. immer mehr, besonders als er sich im Jahre 1623 in zweiter Ehe mit der Gräfin Isabella Katherina von Harrach vermählt hatte. Ihr Vater war des Kaisers vertrautester Rat und Kämmerer; sie selbst aber hing mit inniger Liebe an ihren Gemahl bis an das düstere Ende desselben und oft, wenn er sich mit schweren Plänen trug, glättete eine zarte Frauenhand die tiefen Furchen seine Stirne, hinter der allerlei dunkle Gedanken nisteten.

Die Schlacht am weißen Berge hatte Böhmen wieder dem Kaiser unterworfen und jetzt brach ein hartes Strafgericht über die Aufständischen herein. In diesen Tagen war es, daß Wallenstein durch die Freigebigkeit seines Kaisers und durch Kauf vieler Güter der vertriebenen böhmischen Edelleute den Grund zu seinem ungemeinen Reichtum legte. Man schätzte sein Vermögen bald auf 30 bis 40 Millionen Gulden. Im Jahre 1623 erwarb er das Fürstentum Friedland und im Jahre 1627 wurde er vom Kaiser zum Herzog erhoben.

Bald hieß er nur mehr der Friedländer, und als der Dänenkönig Christian IV. in Deutschland landete, erbot sich Wallenstein, dem Kaiser ein stattliches Heer zu werben. Damals gab es noch keine stehenden Armeen wie heutzutage, und Ferdinand II., der fast nur auf die Hilfe der kath. Fürsten angewiesen war, nahm gerne das Anerbieten Wallensteins an. Am 25. Juli 1625 erhielt er die Bestallung als kaiserlicher Obristfeldhauptmann.

Nun wurde allenthalben die Werbetrommel für den Friedländer gerührt und von allen Seiten strömte Kriegsvolk zusammen: Deutsche, Kroaten, Spanier, Wallonen ohne Unterschied der Nation und des Glaubensbekenntnisses. Man verließ Werkstatt und Pflugschar; wozu noch harte Arbeit verrichten, wußte man doch, daß unter Wallenstein's Fahnen der Kriegsdienst sich reichlich lohne? So gebührte im Wallenstein'schen Heere dem Obristen wöchentlich ein Sold von 500 Gulden, dem Rittmeister 100, dem Lieutenant 40, dem Fähnrich 35, dem Wachtmeister 12, dem Fourier 9, zwei Korporalen 18 Gulden. Dazu kamen noch Lieferungen an Holz, Salz, Licht und Lagerstätten, die Freundes- und Feindesland, wenn die Wallensteiner drin hausten, beistellen mußten, sowie die reiche Beute, die bei Plünderungen auf Hauptleute und Gemeine entfiel. Es ist daher begreiflich, welchen Zauber der Klang der Wallenstein'schen Werbetrommeln auf all das unruhige Volk der damaligen Zeit üben mußte. Zudem war es bekannt, daß Wallenstein zwar unnachsichtig strenge im Bestrafen, aber auch von mehr als fürstlicher Freigebigkeit im Belohnen sei.

Heimlich raunte man sich auch zu, daß der Friedländer gefeit sei gegen Hieb, Schuß und Stich, denn das trotzige Kriegsvolk von damals war ungemein abergläubisch und glaubte an einen Bund mit dem Bösen, und mancher hochstämmige, bärtige Landsknecht trug am Kettlein unter dem Wamse wohlverwahrt irgend einen wertlosen Schmuck, der als wunderbares Amulet jede Verwundung fernhalten oder sogleich heilen sollte. Auch sogenannte nimmer fehlende Freikugeln glaubte man zu geheimnisvoller Mitternachtsstunde im Waldesdüster gießen zu können. Der Wachtmeister sagt in Schillers Schauspiel vom Friedländer :

"Ja, daß er fest ist, das ist kein Zweifel,

Denn in der blut'gen Affair' bei Lützen

Ritt er Euch unter des Feindes Blitzen

Auf und nieder mit kühlem Blut.

Durchlöchert von Kugeln war sein Hut,

Durch den Stiefel und Koller fuhren

Die Ballen, man sah die deutlichen Spuren;

Konnt' ihm keine die Haut nur ritzen,

Weil ihn die höllische Salbe thät schützen.

Ein heimliches Grauen ergriff daher auch die rohesten Kriegsknechte, wenn der Friedländer im Koller von Elenhaut, den scharlachroten Mantel auf den Schultern, und eine rote Binde um den Leib, auf dem Kopfe den spitzen Hut von dem eine lange rote Straußfeder herabwallte, finster und schweigsam durch die Lagerstraßen schritt und mit seinen stechenden, durchdringenden Augen überall umherspähte, auch wohl gleich einen störrischen Übeltäter auf den nächsten grünen Baum aufknüpfen ließ. In kürzester Frist hatte Wallenstein ein Heer von 25.000 Mann aufgebracht, mit welchem er den Mannsfelder nach Ungarn verjagte und im Vereine mit dem erprobten Tilly den Dänenkönig aus Deutschland heraustrieb. Die Herzoge von Mecklenburg wurden von Wallenstein ihrer Länder verlustig erklärt und sein dankbarer Kaiser machte ihn nun auch zum Herzoge von Mecklenburg. So führte Wallenstein jetzt nicht bloß den Friedländischen Engel und den Adler von Sagan (denn er hatte mittlerweile auch diese große böhmische Herrschaft erworben), sondern auch den Stierkopf von Mecklenburg in seinem Wappen, und das kaiserliche Banner wehte siegreich am Strande der Ostsee. Er selbst nannte sich nun in seiner stolzen Sprache "Admiral des baltischen und oceanischen Meeres". Nur das feste Stralsund konnte Wallenstein nicht einnehmen, obwohl er sich vermaß zu schwören : »es sollte sein werden, und wenn es mit Ketten am Himmel hinge.«

Bald aber wurde der Siegeslaufbahn des kaiserlichen Feldherrn zum erstenmal ein jähes Ende bereitet. Im Jahre 1630 waren die deutschen Kurfürsten zu Regensburg versammelt, um über die Wahl des Sohnes Ferdinands II. zum römischen Könige zu beraten. Da erhoben sich bald die bittersten Klagen über das wüste Treiben des Wallenstein'schen Kriegsvolkes im Reiche. Das war nun freilich nicht ohne Grund. So hatte beispielsweise die Stadt Nördlingen für die Besoldung und Verpflegung von zwei Compagnien Wallenstein'scher Soldaten innerhalb vier Wochen 93.871 Gulden zahlen müssen. Die Stadt Halle mußte vom 1.December 1625 bis 8. September 1627 an barem Gelde allein 430.514 Gulden hergeben; der Herzog von Braunschweig berechnete seinen Schaden in einem Briefe an den Kaiser mit 1,912.145 Reichstalern. Aber noch anderer Ursachen wegen grollten sowohl die protestantischen, wie die katholischen Reichsfürsten dem Friedländer. Er war ihnen zu gut kaiserlich und er hatte es zu offen auf die Dämpfung ihres Übermutes und die Schwächung ihrer eigenen Gewalt abgesehen. Die Fürsten hatten das Wort, das er einmal ausgesprochen, wohl im Gedächtnisse behalten : » Ich will den Kaiser ebenso zum Herrn in Deutschland machen, wie es die Könige von Frankreich und Spanien in ihren Ländern sind.« Nur ungern, und weil die Fürsten mit ihren Klagen und Beschwerden nicht nachließen, willigte der Kaiser in Wallensteins Absetzung. Dieser stand damals mit seinem Heere in Schwaben und als des Kaisers Räte Werdenberg und Questenberg in Memmingen vor ihm erschienen, blieb er ganz kalt und stellte sich, als hätte er Alles schon in den Sternen gelesen. Doch schrieb er noch an den Kaiser, dankte ihm für das bisherige Zutrauen und bat, ihm seine Gnade nicht gänzlich zu entziehen. Nun zog er sich ruhig auf seine Güter in Böhmen zurück, zu stolz, sich irgend welche Kränkung merken zu lassen. Gitschin machte er zur Hauptstadt seines Herzogtums Friedland und dort residierte er mit wahrhaft kaiserlicher Pracht, unablässig bemüht, das Wachstum und die Verschönerung seines Herrschersitzes in jeder Weise zu fördern. Gitschin zählte damals ungefähr 200 Bürgerhäuser, Wallenstein ließ große Bauten aufführen und wollte aus dem kleinen Orte eine mehrere Stunden umfassende Stadt machen. Eine 3000 Schritte lange, vierfache Allee von Lindenbäumen führte zu der von ihm angelegten Carthause Walditz. Ahnte der Vielgeschäftige, daß hier im stillen Walde sein ruheloser Geist in nicht gar ferner Zeit die ewige Rast finden werde? Das Schloß zu Sagan, aus welchem Wallenstein zugleich ein festes Kastell machen wollte, blieb unvollendet; dagegen wurde sein prachtvoller Palast auf der Kleinseite in Prag noch ausgebaut. Er war im Stile des Palastes Borghese in Florenz ausgeführt und mit verschwenderischem Prunke eingerichtet. »Der äußerste Saal,« erzählt ein Zeitgenosse, »ist weit, hoch und kunstreich gemalt. Von dannen geht man in die Vorkammer, wie sie es zu nennen pflegen, welche ganz vergüldet, und folgend in Wallensteins Gemach, davon nicht genugsam kann geredet werden. Vor diesem Gemach (ohne die Pagen, die alle in eine Livree - hellblauer Samt mit Gold - gekleidet waren) warten an fünfzig wohlbewappnete Soldaten oder Trabanten, fürstlich angetan. « Weiters erzählt derselbe Augenzeuge über den fabelhaften Prunk, mit welchem sich Wallenstein zu umgeben liebte, wenn er öffentlich erschien.

»Wenn er etwa aufziehen sollte, sah man fünfzig Kutschen, jede von sechs Pferden, alle dem Wallenstein zugehörig, ohne die, so etwan von Fremden dazukamen. Fünfzig Wägen führten das Küchengeschirr, an jeden waren vier Pferde gespannt. Die Höflinge fuhren auf zehn unterschiedlichen Kutschen, welche mit Glasfenstern bekleidet, deren jede sechs Pferde zogen; auf sonsten fünfzig schönen Pferden ritten Diener, deren jeder ein tapferes Pferd, mit köstlichen Decken belegt, an der Hand führte, dem Fürsten zu Diensten. Seine Pferde stunden alle in einem Stall, welcher wunderlich war zugerichtet; die Krippen waren von Marmorstein und bei jeder Krippen entsprunge ein Brunnen klares Wassers, die Pferd zu tränken. «

Wie kostspielig Wallensteins Hofhaltung gewesen , kann man sich leicht vorstellen, wenn man weiß, wie er im Felde gelebt. Ein Provisionszettel aus Ihrer Fürstlichen Durchlaucht Kuchel für einen Tag ist uns erhalten. Derselbe enthält außer mehreren anderen Punkten folgende Ansätze:

»2 gute Ochsen, 20 Hammel, 10 Heuer (Wildsäue), 4 Kälber, 1 gutes Schwein, 2 Seiten Speck, 1 Tonne Butter, 40 junge Hühner, 4 italienischen Hahnen, 12 Gänse, 600 Laiblein Weißbrod, 400 Laiblein Roggenbrot, 2 Scheffel Weizenmehl, 8 Tonnen gutes Bier, 2 Tonnen Rheinwein, viele Pfunde Gewürz aller Art, 40 Pfund Zucker, Wachs, Südfrüchte, Nürnberger Lebzelter Confect u. s. w.«

Doch Wallenstein wußte nicht bloß mit auserlesenem Glanze sich zu umgeben, er förderte auch in jeder Weise Wohlfahrt und Blüte der Landstriche, über die er mit fast königlicher Machtvollkommenheit gebot. In Gitschin hatte er ein Convict für adelige Studenten eingerichtet und reichliche Stiftungen für ärmere Schüler, die, wie er sich ausdrückte » eine Lust zur Vertu « haben, ausgesetzt. Verrieten ihm die Sterne, die er auf seinem Herrnschloße zu Gitschin vielleicht oft befragte, zu welcher Höhe er noch steigen sollte? Jedenfalls kündeten sie ihm nichts von seinem furchtbar nahen Sturze. Hätte er sonst noch einmal das blutige Würfelspiel des Krieges versucht ?

Am 24. Juni 1630 war der Schwedenkönig Gustav Adolf an der Küste Pommerns gelandet und alsbald loderten die Flammen des Krieges mit neuer Wut empor. Zwar war Magdeburg dem Ansturm Tillys erlegen und nur mehr der Dom und einige schlechte Fischerhütten an der Elbe waren von der stolzen Stadt noch übrig , aber bald stand der Schwedenkönig, nachdem er Tilly bei Leipzig am breiten Felde niedergeworfen, im Herzen Baierns und des Kaisers eigene Erblande sogar schwebten in Gefahr. Das war die Stunde, die Wallenstein vielleicht insgeheim herbeigesehnt haben mochte. Durch Eggenburg wendete sich der Kaiser, der sich seiner Zeit nur schwer von seinem Feldherrn getrennt hatte, von neuem an diesen. Zu Znaim im Mährerlande wurden die Unterhandlungen gepflogen, doch Wallenstein stellte sich, als seien des Kaisers Wünsche den seinen ganz entgegen und nur nach langem Sträuben erklärte er sich endlich bereit, ein Heer zu werben und auf drei Monate das Kommando desselben zu übernehmen.

Ende März 1632 standen bereits 27 Regimenter in voller Ausrüstung in Böhmen; besonders für das Geschützwesen hatte Wallenstein trefflich vorgesorgt. Er verdient es, als Begründer der österreichischen Artillerie genannt zu werden. Das Heer war da - der Feldherr fehlte. Doch was hätte die Armee ohne Wallenstein zu bedeuten gehabt? Sie wäre kaum einige Wochen beisammen geblieben. So mußte sich daher der Kaiser entschließen, in Wallenstein's Hände die außerordentlichsten Vollmachten zu legen. Der Herzog von Friedland wird Generalissimus des Kaisers, des ganzen Erzhauses und der Krone Spaniens. Krieg zu führen und Frieden zu schließen hängt ganz allein von ihm ab. Des Kaisers Sohn, der römische König Ferdinand, darf nicht beim Heere erscheinen, überhaupt soll Niemand, selbst der Kaiser nicht, in Wallensteins Pläne sich mengen. Übrigens wurde ihm auch ein Erbland als außerordentliche Belohnung zugesichert. Damit hörte Wallenstein beinahe auf, des Kaisers Untertan zu sein, er wurde ein Fürst, der sich ihm gleichstellte. Selbst wenn wir zugeben, daß Wallenstein den Kaiser nicht wirklich schnöde verraten, ihn betrügerisch um Land und Ehre bringen wollte, so mußte sein Verhalten gerechtes Mißtrauen erregen, sobald er nicht pünktlich des Kaisers Befehlen gehorchte. Nur das unbegrenzte Vertrauen Ferdinands II. zu seinem Feldherrn konnte in dessen Hand eine solche Machtfülle legen, und nur durch die größte Offenheit und Geradheit konnte der Friedländer die Anfeindungen seiner Gegner zu Schanden machen. Aber Wallenstein wandelte nicht die gerade Bahn des Rechtes und der Pflicht; sein rastloser Geist entwarf die kühnsten Pläne, sein verschlossener Ernst verriet nie, inwiefern des Kaisers Dienst oder eigenes Glück ihm höher standen. Die ungeheure Macht, die er besaß, verblendete ihn, er wollte sie gebrauchen, wie es ihm gut dünkte, vielleicht nicht gegen den Kaiser, aber jedenfalls ohne denselben.

»Denn seine Macht ist's, die sein Herz verführt,

Sein Lager nur erkläret sein Verbrechen.«

Sein Heer war in der Tat stattlich genug, er hatte es auf mehr als 40.000 Mann gebracht. Sogleich zeigte es sich, wie eigenwillig und geheimnisvoll Wallenstein vorging. Die Schweden waren in Baiern eingedrungen, ihr König hatte sich bei Regensburg verschanzt. Endlich erschien Wallenstein, nachdem der baierische Kurfürst ihn mit Bitten bestürmt hatte. Wallenstein bezog ein festes Lager und elf Wochen lang standen die beiden größten Feldherren ihrer Zeit einander gegenüber. Da wagte der Schwede einen Angriff auf Wallensteins feste Stellung, » aber er stieß sich « , wie der Friedländer an den Kaiser schrieb, »die Hörner ab.«

» Wir haben einen Pagenstreich gemacht, Herr Vetter « , sagte Gustav Adolf beim Abendessen zum Pfalzgrafen Friedrich, als die Schweden nach zehnstündigem, furchtbar blutigen Sturme wieder abziehen mußten. Nun rückten sie in Sachsen ein; Wallenstein zog ihnen bald nach; bei Lützen kam es am 16. November 1632 zu jener denkwürdigen Schlacht, in der die Schweden zwar den Sieg errangen, aber ihren teuern König verloren. Auch die Kaiserlichen hatten den Verlust eines ihrer tüchtigsten Generale, des kühnen Reiterführers Grafen Pappenheim zu beklagen. Mit seinen Kürassieren war er später auf dem Schlachtfelde erschienen. Sein erster Ruf war : » wo kommandiert der König ? « Bald sank er, von einer Kugel tödlich getroffen vom Pferde. Da drang das verworrene Gerücht von Gustav Adolfs Tode auch zu dem Sterbenden. Er richtete sich auf und sprach zu den Umstehenden. » Meldet dem Herzoge von Friedland, ich bin auf den Tod getroffen, sterbe aber gern, da ich weiß, daß dieser unversöhnliche Feind meines Glaubens an einem Tage mit mir gefallen ist.«

Jetzt ging Wallenstein in's Winterquartier nach Böhmen und hielt in Prag furchtbar strenges Gericht über alle, die in der Schlacht bei Lützen nicht ihre Schuldigkeit getan: 11 Offiziere wurden durch das Schwert, 3 durch den Strang hingerichtet, 7 wurden unter den Galgen geführt, von vierzig wurden die Namen an denselben angeschlagen. Dagegen verteilte Wallenstein damals auch an Geschenken und Auszeichnungen für besonders tapferes Verhalten 85.000 Gulden.

Jetzt aber beginnt Wallenstein jene rätselhafte und geheimnisvolle Rolle zu spielen, durch die er ebenso häufig den Kaiser, wie die Feinde zu täuschen versuchte. Er zeigte keinen rechten Ernst mehr für die Fortführung des Krieges. Doch auch den Frieden wollte er nur auf seinen eigenen Wegen erreichen, ohne nach des Kaisers Willensmeinung zu fragen. Es ist daher wohl erklärlich, daß nicht bloß der kaiserliche Hof das Verhalten des Feldherrn mit steigendem Mißtrauen beobachtete, sondern auch Wallensteins bewährteste, gut kaiserlich gesinnte Generale, wie Octavio Piccolomini, Aldringer, Gallas, Colloredo, Maradas zum Abfalle bereit waren. Wallenstein hatte seine Generale und Obristen für den 11. Januar 1634 zu einer Zusammenkunft auf dem Rathause zu Pilsen geladen. Hier erklärte er ihnen, er sei entschlossen, für immer abzudanken, ward aber durch seine Heerführer von diesem Schritte, wie es schien nur mit Mühe, abgebracht. Nun mußten die Generale und Obristen einen Revers unterzeichnen, in welchem sie sich verpflichteten, standhaft bei Wallenstein auszuhalten, ob er General bliebe oder nicht. Das Schriftstück wurde in recht stürmischer Weise während eines Banketts unterzeichnet, welches Illo den Officieren gab. Sobald einer der geladenen Gäste zauderte, zog Terzky seinen Degen und schrie : »Jeden, der gegen Friedland ist, haue ich in Stücke «.

Unrichtig ist die Darstellung Schillers von der Klausel, die später dem Schriftstücke beigefügt worden sein soll und in der selbst zum Abfall vom Kaiser aufgefordert worden sei. Bald aber glaubte man am kaiserlichen Hofe Wallenstein unter keinen Umständen mehr trauen zu dürfen; doch überschätzte man sein Ansehen beim Heere, welches damals schon sehr erschüttert war. Man hielt also Vorsicht für geboten.

Mit schwerem Herzen - wie damals zu Regensburg, als er sich zum ersten Male von Wallenstein trennte - unterzeichnete der Kaiser ein Patent, worin die Befehlshaber der Truppen von ihren Pflichten gegen Wallenstein losgesprochen und an Gallas gewiesen wurden. Bald darauf, am 18. Februar 1634, wurde Wallenstein aller seiner Würden und Ämter entsetzt; mit ihm zugleich seine getreuesten Anhänger Jllo und Terzky. Die Garnison von Prag fiel sogleich von Friedland ab. Wallenstein hatte seine Macht überschätzt, seine Stellung wurde immer bedrohter. Er hätte abdanken sollen, und reinen Herzens, stolzgehobenen Hauptes hätte er dann seinem Kaiser gegenüber treten können. Sein Stolz ließ dies nicht zu. Wollte er jetzt wirklich offen zum Verräter an Kaiser und Reich werden, oder wollte er in der Tat nur den Frieden mit den Feinden, wie er selbst jetzt noch immer erklärte - wer mag dies mit Bestimmtheit zu entscheiden im Stande sein? In Pilsen fühlte sich Wallenstein nicht sicher, er ging nach Eger. Hier ereilte ihn das Verhängnis. Auf dem Marsche nach Eger war der Oberst Butler zu ihm gestoßen. Schwarze Gedanken im Herzen begleitete er den Friedländer nach Eger. Eigennutz und gemeine Habgier ließen Butler, der doch Wallenstein so viel zu verdanken hatte, an Mord denken; er meinte Wallensteins Feinden dadurch einen ungeheueren Dienst zu erweisen, er rechnete auf Geld und Ehren als Lohn seiner Bluttat. In Eger setzte sich Butler unverweilt mit dem Kommandanten der Festung, Gordon und dem Obristwachtmeister Leslie - auch ein Schotte wie er - in Verbindung. Der Plan ward verabredet, sich Wallenstein's durch Mord zu entledigen; zuerst sollten dessen treueste Generale niedergemacht werden. Dies geschah bei einem Bankette, welches Gordon den Wallenstein'schen Offizieren auf der Burg gab. Als die Becher kreisten, drang plötzlich Geraldin an der Spitze von sechs handfesten irischen Dragonern in den Saal. »Holla, wer ist gut kaiserlich? « schrien die Irländer und hieben die Herren, die sich nicht wehren konnten, nieder. Nur Terzky gelang es, den Degen zu ziehen und er wehrte sich geraume Zeit mit verzweifelter Tapferkeit. Wallenstein wohnte nicht in der Burg, sondern im Pachhelblischen Hause am Hauptplatze. Es war gegen zehn Uhr nachts; Wallenstein hatte soeben seinen Astrologen Seni entlassen und wollte sich zur Ruhe begeben. Es war eine finstere, unfreundliche Nacht und ein feiner Regen klirrte gegen die Fensterscheiben. Im Hause und rings um dasselbe war tiefe Ruhe, denn Wallenstein mochte das leiseste Geräusch nicht leiden, wenn er über seine finsteren Anschläge brütete. Da erhob sich plötzlich von der Straße herauf Lärm. Wallenstein war vom Lager aufgesprungen und ans Fenster geeilt, um nach der Ursache des Geräusches zu sehen. Aber schon wurde die Tür des Schlafgemaches mit einem Fußtritte aufgesprengt. Deveroux stürzte mit vorgehaltener Partisane in das Zimmer.

»Bist du der Schelm,« rief er, »der des Kaisers Volk dem Feinde zuführen und Seiner Majestät die Krone vom Haupte reißen will. Dafür must du sterben.«

Wallenstein stand an einem Tische angelehnt, im bloßen Nachtkleide, ohne Wehr und Waffen. Seine Lippen bewegten sich, wie wenn er reden wollte, doch wurde kein Laut hörbar. Nun breitete er die Arme aus und empfing den Todesstoß in die Brust. Die Leiche wurde in eine rote Decke gehüllt und auf Leslies Wagen in die Burg geführt. So endete ein Mann, dem unstreitig glänzende Gaben zu eigen waren und der die kaiserlichen Waffen zu glorreichen Siegen geführt hatte, den jedoch hochfliegende Ehrbegierde in Bande verstrickt hatte, aus denen kein Entrinnen mehr war. So ist er, der anfänglich seinem kaiserlichen Herrn in treuer Hingebung gedient hatte, unseres Mitleids gewiß nicht unwürdig. Eine schmähliche Lüge aber ist es, wenn behauptet worden ist, der Kaiser habe von der Ermordung Wallensteins im Vorhinein gewußt.

Ferdinand war bei der Nachricht von dem schrecklichen Tode seines Feldherrn tief erschüttert. » Ach, mein Wallenstein! « rief er unter Tränen aus, als er von dem Geschehenen Kunde erhielt. Für alle Zeiten wird Wallensteins Andenken fortleben.

Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt,

Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte.

wallenstein lager

Wallensteins Lager

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Soweit das Schullesebuch.

Aus dem Buch:
"Wallenstein Feldherr des 30jährigen Krieges"

Böhlau Verlag, ISBN 3-412-03479-5.

(Seite 251):

" Am Ende legitimierte Kaiser Ferdinand den Mord in Eger in Gestalt glänzender Geschenke, mit denen er die Häupter der gegen Wallenstein angezettelten Verschwörung beglückte: Gallas, Schlick, Colloredo, Butler",

dort sind auch die Hintergründe dazu, sowie sie die Geschichtsforscher heute sehen, aufgezeigt.