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Von 1627 bis 1781/82 (Toleranzpatente) war die römisch-katholische Konfession de facto Staatsreligion im alten Österreich. Das galt aber nur für die habsburgischen Länder, die auch zum Heiligen Römischen Reich gehörten - und auch da gab es Ausnahmen. Siehe Evangelische Gemeinden im alten Österreich nach dem Toleranzpatent von 1791

In Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien, Galizien und der Bukowina herrschten andere Regeln, zwar keine volle Religionsfreiheit, aber weitgehende Duldung der Acatholiken (alle nichtkatholischen Christen) und Juden.

Ab 1765, mit dem Beginn der Mitregierung Kaiser Josephs II. in den habsburgischen Ländern, endeten die Zwangsdeportationen von "Acatholischen" (meist Evangelischen, "Geheimprotestanten") nach Ungarn und ins Banat. Evangelische wurden fortan stillschweigend geduldet.

Mit den Toleranzpatenten Kaiser Josephs II., ab 1781 für Evangelische (A.B. - Augsburger Bekenntnis = lutherisch und H.B. - Helvetisches Bekenntnis = zwinglianisch und calvinistisch) und Juden ab 1782 wurde diese Duldung auch offiziell. Sie waren nun, innerhalb gewisser Grenzen auch frei Gemeinden zu gründen und Kirchen bzw. Synagogen sowie Schulen zu errichten. Ab 1783 galt das auch für die Armenisch - Apostolische Kirche in Österreich.

Alle anderen Konfessionen blieben aber weiterhin illegal.

Mit der Verfassungsepoche ab 1867 gab es de jure und de facto Religionsfreiheit und erstmals auch die Freiheit konfessionslos zu sein. Im Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 (Dezemberverfassung) regeln die Art. 14 - 16 die Religionsfreiheit.

  • Artikel 14

Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist Jedermann gewährleistet. Der Genuss der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen. Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, insofern er nicht der nach dem Gesetze hierzu berechtigten Gewalt eines Anderen untersteht.

Artikel 15

Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.

Artikel 16

Den Anhängern eines gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses ist die häusliche Religionsübung gestattet, in soferne dieselbe weder rechtswidrig, noch sittenverletzend ist.

Damit stand jedem Bürger die Zugehörigkeit zu einer Religion und deren Ausübung in einer Kirche usw. frei. Auch der Wechsel der Konfession war nun frei und erstmals war es auch legal keiner Religion anzugehören. Den Anhängern eines gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses war die häusliche Religionsübung gestattet, falls sie weder rechtswidrig noch sittenverletzend war. Nur die gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften besaßen auch das Recht auf öffentliche Religionsausübung. 

In der Folge entstanden allmählich weitere christliche Kirchen, die alle den Status der anerkannten Religionsgemeinschaft anstrebten. Mit dem Gesetz vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften wurde das auch praktisch möglich. In der Folge wurden allmählich weitere Religionsgemeinschaften anerkannt.

 

Die altkatholische Bewegung entstand 1870 rund um den Münchner Theologen und Universitätsprofessor Ignaz von Döllinger (1799-1890). Dieser war einer der führenden Kritiker des während des I. Vatikanische Konzils (1869 - 1870) am 18. Juli 1870 durch Papst Pius IX. verkündeten päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas. Von Döllinger erhielt auch aus Österreich-Ungarn aus liberalen Kreisen zahlreiche zustimmende Briefe von Laien, Geistlichen, politischen Gruppen und Gemeindevertretungen, die so genannte "Döllingeradressen".  verabschiedeten. Auch der damals liberal dominierte Wiener Gemeinderat sandte am 27. Mai 1871 eine Sympathieadresse an Ignaz von Döllinger. Zu den unterstützenden Geistlichen gehörten der Wiener Julius Pederzani und der Sarmingsteiner Alois Anton, der damals auch in der Wiener Konstitutionellen Vorstadtzeitung schrieb und die Gründung einer "romfreien Kultusgemeinde" in Wien vorschlug.

Anfangs war das eine Reformbewegung innerhalb der römisch-katholischen Kirche, da der Papst aber auf seiner Unfehlbarkeit beharrte, entstand aus dieser Reformbewegung eine Kirchenabspaltung. Als Zeichen, daß sie die Werte des Urchristentums hochhielten, nannte sich diese neue Religionsgemeinschaft "Altkatholische Kirche".  

Diese päpstliche Unfehlbarkeit nahm übrigens auch Kaiser Franz Josef zum Anlaß um am 30. Juli 1870 das 1855 mit dem Vatikan geschlossene Konkordat einseitig aufzukündigen. Begründung: Mit diesem Dogma sei der Vertragspartner (der Papst) ein anderer – nämlich ein unfehlbarer – geworden.

Am 27. Juli 1871 wurde unter dem Vorsitz des Wiener Gemeinderats und Schriftstellers Dr. Carl Linder (1838-1917) ein (alt)katholisches "Aktionskomitee" gegründet, das ein Aktionsprogramm erarbeitete. Beim 1. (alt)katholischen Kongreß in München (22.-24. Sept. 1871), auf dem Österreich durch Alois Anton und Prof. Friedrich Maasen vertreten war, wurde die Gründung eigener Pfarrgemeinden beschlossen, falls dazu Bedarf entstehen sollte. Das scheiterte allerdings daran, daß die Reformbewegung keine Kirchen besaß. Deshalb beschloß der Wiener Gemeinderat, auf Antrag des Gemeinderates Johann Umlauft am 3. Oktober 1871 mehrheitlich, den "infalliblistischen Katholiken" die gemeindeeigene St. Salvatorkapelle im "Alten Rathaus" in der Wipplingerstraße Nr. 6-8 bzw. Salvatorgasse Nr. 5, die bis dahin von der römisch-katholischen Kirche genutzt worden war, zu überlassen. Die Übergabe erfolge am 15. Oktober 1871. Auflage war, dabei jegliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Trotzdem verhängte der römisch-katholische Wiener Kardinal-Erzbischof Joseph Othmar Rauscher (1797-1875), der übrigens selbst gegen das Unfehlbarkeitsdogma protestiert hatte, daraufhin am 16. Oktober 1871 das Interdikt über die Kapelle, d.h. römische Katholiken durften sie nicht mehr betreten.
Dieses Interdikt wurde erst 98 Jahre später, am 14. November 1969, von Kardinal Franz König im Geiste der Ökumene wieder aufgehoben.

Noch am 15. Oktober 1871 feierte Alois Anton (1822-1878), der erste altkatholische Pfarrer in Österreich, dort unter großer Beteiligung den ersten altkatholischen Gottesdienst Österreichs. Daraus entwickelte sich die erste altkatholische Pfarrgemeinde in Österreich. Am 11. Februar 1872 wurde die "autonome katholische Cultusgemeinde" in Wien konstituiert, Alois Anton war der erste gewählte Pfarrer. Das Kultusministerium, Minister Karl von Stremayer, erkannte die neue Pfarrgemeinde allerdings nicht an, verfügte mit Erlaß vom 20. Februar 1872, daß die "Konzilsgegner" weiterhin als Teil der "römischen Kirche" anzusehen seien und versuchte die Gemeinde mittels Repressalien wieder aufzulösen. Da sich aber ein wichtiger Teil des vermögenden liberalen Wiener Bürgertums hinter die Altkatholiken stellte, wurde die neue Kirche nach langen Konflikten schließlich am 18. Oktober 1877 per Verordnung des k.k. Cultus Ministeriums als "Altkatholische Kirche" offiziell anerkannt und ihre Synodial- und Gemeindeordnung genehmigt. Am 12. November 1878 wird infolgedessen die Wiener altkatholische Gemeinde offiziell anerkannt. Eine Bischofswahl blieb den Altkatholiken bis zum Ende der Monarchie allerdings behördlich verboten, man behalf sich bis 1924 mit dem Amt des "Bistumsverwesers". Die neue Kirche, die sich als Fortsetzung der traditionellen Kirche verstand und versteht, machte für die offizielle Anerkennung viele Zugeständnissen, verzichtete auf einen Anteil am Vermögen der Römisch-Katholischen Kirche, auf das Religionsfondsvermögen sowie auf staatlichen Leistungen.

 

Altkatholische Kirchengemeinde St. Salvator
Wipplingerstraße 6
1010 Wien
Tel. +43/1/533 71 33
Fax. +43/1/533 71 33 - 15
E-Post: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
http://stsalvator.altkatholisch.info/index.htm

Matriken ab 1878 (dort am Pfarramt einsehbar, die Zweitschriften 1878-1938 sind im Wiener Stadt- und Landesarchiv einsehbar)

 

Die altkatholische Bewegung faßte auch in anderen Städten des alten Österreich Fuß, so vor allem in Ried im Innkreis (Oberösterreich) und Warnsdorf (tsch. Varnsdorf) in Nordböhmen.

Auch in Ried im Innkreis (Öberösterreich) ging die altkatholische Bewegung von liberalen Kreisen aus. Am 29. Oktober 1870 stellte sich der "Liberale Verein in Ried" bei einer Versammlung auf die Seite Döllingers, lehnte das Unfehlbarkeitsdogma ab, bezeichnete den Papst als Häretiker (Glaubensabweichler) und verlangte die Ausweisung der Jesuiten aus Österreich. Auch der  Gemeindeausschuß (Rat) der Stadt stellte sich in seiner Sitzung vom 22. April 1871 auf diesen Standpunkt. Als sich der Stadtpfarrer daraufhin weigerte dem damals schwer erkrankten Kaufmann Engelbert Wetzelsberger, einem Unterzeichner der "Döllinger-Adresse", die Sterbesakramente zu spenden, falls er seine Unterschrift nicht zurückziehe, stellte sich auch das bischöfliche Ordinariat hinter diese Maßnahme. Daraufhin rief der Gemeinderat für den 8. November 1871 zu einer Versammlung im Rathaus auf, bei welcher ein achtköpfiges (alt)"katholisches Aktions-Komitee" gegründet - und gefordert wurde, "daß uns die hiesige Pfarrkirche und das Kirchenvermögen eingeräumt werde; Denn wir sind die wahren Katholiken, und wir erklären die hiesige Pfarrgeistlichkeit und alle ihre Anhänger als Ketzer". Immerhin 273 (männliche) Einwohner Rieds unterzeichneten diesen Aufruf, damals inklusive ihrer Frauen und Kinder etwa 14% der Bevölkerung der Stadt.

Am 14. Dezember 1871 wurde bei einer Großversammlung mit 500 Teilnehmern im städtischen Theatergebäude der bisherige Kooperator von Taufkirchen im Innkreis, Dr. Josef Brader, zum provisorischen (alt)katholischen Pfarrer von Ried im Innkreis bestellt und bei einer weiteren Versammlung am 21. Dezember 1871 den Rieder Altkatholiken vorgestellt. Am 25. Dezember 1871 hielt Dr. Brader in seiner Wohnung (im Fagerer-Haus von Baumeister Ludwig Gyri zur Verfugung gestellt) den ersten altkatholischen Gottesdienst in Ried. Da man die Stadtpfarrkirche nicht mitbenutzen durfe, überließ die Stadt den Altkatholiken am 1. Februar 1872 das Theatergebäude, die ehemalige Hl.-Geist-Kirche, als Notkirche.

Am 11. Februar 1872 verabschiedeten die Rieder Altkatholiken ein Gemeinde-Statut, am 3. März 1872 wurde der erste Gottesdienst in der restaurierten "Notkirche" (Hl. Geist-Kirche) gehalten, die dabei auch wieder geweiht wurde. Am 28. März 1872 fand das erste altkatholische Begräbnis in Ried statt.

Altkatholische Kirchengemeinde
Christuskirche
Bahnhofstraße 17
4910 Ried im Innkreis
Tel.: 07752/82656
Mobil: 0664/8988938
E-Post: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
http://www.altkatholiken-ried.at

Matriken ab 1871 (lagern in der altkatholischen Pfarre in Linz, Fabrikstraße 10, 4020 Linz, Tel.: 0676 5890511, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! )

 

In Warnsdorf (tsch. Varnsdorf) gab es schon am 18. Juni 1871 die erste öffentliche Kundgebung gegen die Lehren des 1. Vatikanischen Konzils. Motor war hier der Priester und Religionslehrer am Gymnasium Anton Nittel (1826-1907). Am 19. September 1871 wurde eine "Katholische politische Allianz" gegründet, die ebenfalls am 1. Altkatholischen Kongress in München teilnahm. Am 16. März 1872 wurde Anton Nittel zum ersten (alt)katholischen Pfarrer in Warnsdorf gewählt. 1873 wurde mit dem Bau eines Kirchengebäudes begonnen, das am 27. Dezember 1874 eingeweiht wurde. Ende August 1880 wurde auch mit dem Bau der Pfarreigebäude begonnen, am 1. Januar 1897 erfolgte sogar die Verlegung des Sitzes des Bistumsverwesers von Wien nach Warnsdorf und damit die Erhebung der altkatholischen Pfarrkirche von Warnsdorf zur Kathedralkirche.

Altkatholisches Pfarramt Warnsdorf
Farní obec Starokatolické církve
Tyršova 1232, Varnsdorf
Tel.: +420 414 120 359
Mobiltel.: +420 603 221 937
E-Post: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
http://www.starokatolicivdf.com/www/index.php?page=home
http://www.starokatolici.cz/

 

Anders als 300 Jahre davor beim Luthertum erfaßte die altkatholische Bewegung nur einen kleinen Teil der Bevölkerung, nämlich das liberale Bürgertum, das um 1880 politisch an Macht verlor. Bei der Volkszählung von 1890 wurden in Wien (in den damaligen Grenzen) 1.264 Altkatholiken gezählt, das waren 0,09% der Bevölkerung.
Die erste Synode wurde 1879 abgehalten, eine Kirchenverfassung verabschiedet und im wesentlichen die Reformen der deutschen und schweizerischen Schwesterkirchen nachvollzogen. Die Landessprache im Gottesdienst wurde eingeführt, Kommunion in beiderlei Gestalt verabreicht, der Beichtzwang aufgehoben und der Priester-Zölibat abgeschafft.

Am 24. Sept. 1889 wurde die "Altkatholische Kirche in Österreich" in die "Utrechter Union" aufgenommen, eine seit 1723 von Rom unabhängige Kirche. Damit waren - auch von römisch-katholischer Seite gesehen - legale Bischofsweihen (in apostolischer Sukzession) möglich. Und die altkatholischen Bischöfe können seither - auch im römischen Sinn - legale Priester weihen. Die altkatholischen Sakramente waren daher auch dort gültig.
Der berühmte Arzt und Leibarzt von Maria Theresia, Gerard van Swieten (1700-1772) war übrigens ein Mitglied dieser Kirche von Utrecht.

 

Altkatholische Matriken aus Nordmähren (Mährisch Schönberg: 1899/1923/1933)

Altkatholische Matriken aus Südmähren (u.a. Brünn: Hochzeiten ab 1907)

 

PFARREN 1910:

1910 gab es in der österreichischen Reichshälfte 9 altkatholische Pfarren.

Aufgliederung nach Kronländern:
Böhmen: 5
Niederösterreich: 1
Oberösterreich: 1
Steiermark: 1
Mähren: 1

Weiters gab es folgende Filial-Seelsorgestellen (Exposituren):
Böhmen: 3
Mähren: 2
Salzburg: 1

In den übrigen Kronländern gab es keine altkatholische Pfarren.

(Quelle: Österreichisches Statistisches Handbuch 1913)

 

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