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"Es steckt so viel Interessantes in unserer Arbeit, wenn man auch zwischen den Zeilen lesen kann."

Diese Feststellung unseres WZ-Mitarbeiters Herrn Norbert Wallauch möchten wir der Sammlung der "Extrakte" seiner Arbeit mit der WZ voranstellen. Sie erfahren in seinen Berichten viel über Leben, Arbeiten und Sterben in Wien im frühen 18. Jahrhundert und auch so manches Vergnügliches und Kurioses - und nicht zuletzt auch viel Wissenswertes über die Straßen und Häuser des "Nabels" der Donaumonarchie.

Wir hoffen auf weitere Berichte von Herr Wallauch, dem wir an dieser Stelle ganz herzlich für seine "offenen Augen" und sein Interesse danken und wünschen den Lesern viel Vergnügen bei diesen auch sprachlichen "Schmankerl", die Sie hier unverändert, lediglich gekürzt um Einleitung und Abspann, finden können. Jedem Beitrag ist der WZ-Monat vorangestellt, auf den er sich bezieht.

WZ Verstorbene 1719-09 und 1719-10

1719 und auch später erschien das Wienerische Diarium wie es damals hieß "posttäglich", das heißt an zwei Tagen pro Woche, an denen ein Vertrieb durch die Post erfolgen konnte. 

Statistisch habe ich ein wenig mit den Sterbefälle der frühen Jahre gespielt und festgestellt, dass es zwischen Juli und Oktober 1719 immerhin 17 Tote im Alter zwischen 90 und 99 Jahren gegeben hat, darunter 14 Frauen und 3 Männer. Die Aufteilung: 90 Jahre 2 (davon 1 Mann), 91 Jahre 1, 92 Jahre 1 (davon 1 Mann), 93 Jahre niemand, 94 Jahre 2, 95 Jahre 3, 96 Jahre 3, 97 Jahre 1, 98 Jahre 2, 99 Jahre 2 (davon 1 Mann). 

Allerdings fand ich unter der URL http://www.anno.onb.ac.at/cgi-content/annoshow?seite=17190405009&id=wrz&zoom=2 extlinkeinen interessanten Eintrag über die Pfingst-Fußwaschung der beiden regierenden Majestäten sowie der verwitweten Kaiserinnen Eleonora und Amalia, wobei unter den 12 armen Männern und 36 armen Weibern nicht weniger als 8 über 100 Jahre alt gewesen sind, der Älteste, ein Johann Conrad Hörman, fast unglaubliche 107 Jahre. Die müssten ja dann irgendwann in nächster Zeit gestorben sein...

WZ-Verstorbene 1720-09

Die Besonderheiten dieses Monats: 1. Die Ausgabe Nr. 1784 war (fälschlichweise) mit 4. bis 7. (statt 6.) September 1720 datiert, die folgende (richtigerweise) mit 7. bis 10. September. Ich habe das entsprechend berücksichtigt. 2. Mit Christina ACHTERIN starb wieder eine 106-Jährige. 3. Für Anna Catharina KERNIN, 66, wurde als "Beruf" Zwergin angegeben. 4. Maximiliana WAGENBEURIN, 50, starb im Zuchthaus, wo sie wohl auch schon eine Zeit lang "eingesessen" haben dürfte. 

Und noch ein interessantes Ergebnis, das über die Genauigkeit der Eintragungen Aufschluss geben könnte: Am 1. Oktober 1720 starb ein Herr Gregori Genuesi, Kaiserlicher Capell-Compositor, 65 Jahre alt. Am gleichen Tag scheint sein Tod bereits in der Verstorbenenliste der Ausgabe Nr. 1791 (28. September bis 1. Oktober 1720) des Wienerischen Diariums auf. Dieser Gregori Genuesi ist besser bekannt als Gregorio Genovesi, geboren laut www.musiklexikon.ac.at extlink ca. 1655, gestorben am 1.10.1720 und ist dort als Sänger (Sopranist) und Komponist angeführt. Er ist einer der damals berühmten Genovesi-Brüder.

Was das Beispiel, zumindest in diesem einen Fall, zeigt: 1. Todesfälle wurden tatsächlich taggenau, also auch noch am Tag des Erscheinens der Zeitung, angezeigt. 2. Die Altersangaben dürften tatsächlich stimmen. Und 3. wurden Namen, wie ich auch bei anderen Personen nicht-deutschsprachiger Herkunft festgestellt habe, häufig eingedeutscht.

WZ Verstorbene 1720-10

Die Besonderheiten dieses Monats: Maria MESSERSCHMID, eine 95-Jährige, die mit einem Fuhrmann verheiratet war - offenbar ein (ur)altes Ehepaar, der 4-jährige Johann Georg WENINGER, "burgerl. Pupill" (= Mündel), der 99-jährige Georg ECKENDORFER, der bis zu seinem Tod als "Kirchen-Samler" tätig war, der Schneider Leopold KLEIN, der binnen zwei Tagen seine beiden Söhne Adam, 6, und Leopold, 2, verlor, und ein Christoph Gralliz, für den als Beruf "Zischmamacher" angegeben war. Ich habe mich zu diesem Beruf ein wenig schlau gemacht und herausgefunden: Das Wort "Zischma" stammt vom ungarischen "csizma" und bezeichnet bequeme Stiefel, wie sie damals vor allem von den Türken getragen wurden.

WZ Verstorbene 1720-11

Was mir bei der Bearbeitung des Monats November 1720 als Besonderheiten aufgefallen ist: Ein 32-jähriger Arrestant namens Michael BUCHERT, gestorben im Regiments-Stock-Hauß. Oder das Kind Lorenz KÖNREICH, gestorben im Alter von eineinviertel Jahren, mit dem Vermerk "bey Maria-Hülf in der Wiegen ersticket" - möglicherweise handelt es sich dabei um Plötzlichen Kindestod. Oder der 62-jährige Johann GENIE, Pilgram (= Pilger, Wallfahrer), verstorben ausser Maria-Hülf.

WZ Verstorbene 1720-12

Ältester Verstorbener war der 99-jährige Georg KOLL. Tragisch der Verlust des Kaiserlichen Trabanten Johann Friderich OßWALD, der zwischen 29. und 31. Dezember zwei seiner Söhne, Joseph (2) und Anton (5), verlor.

WZ Verstorbene 1721-04

....Was mir sonst noch aufgefallen ist: Es gab verhältnismässig wenig verstorbene Kinder, nämlich nur insgesamt 111 zwischen 1 und 9 Jahren, d. s. 23,7 Prozent, wobei die Kinder unter 1 Jahr bei den Verstorbenen ja bekanntlich nicht namentlich angeführt sind. Auf der anderen Seiten starben viele Erwachsene in relativ hohem Alter, nämlich 35 zwischen 70 und 79 Jahren, 20 zwischen 80 und 89 Jahren, 5 zwischen 90 und 99 Jahren sowie eine 100-jährige namens Anna AUERIN. In Prozenten machen diese 61 "Alten" immerhin 13,0 Prozent der insgesamt 469 Verstorbenen aus. 

Und noch zwei tragische Familienschicksale: Der Haußmaister Joseph JENTSCHGER verlor am 5. April seine Tochter Anna, 1, sowie am 24. April seine Tochter Elisabeth, 7. Und am 23. April starben mit dem 60-jährigen Kaiserl. Kutscher Lorenz SANDBERGER und dem 48-jährigen Kutscher Jacob SANDBERGER, beide wohnhaft an der Wien, zwei Personen, die altersmäßig zwar nicht Vater und Sohn sein können, aber sicherlich miteinander verwandt waren.

WZ Verstorbene 1721-06

Der Juni ist, was Todesfälle anbelangt, interessanterweise fast immer ein "schwacher" Monat. Zu den Besonderheiten zählte wieder eine Hundertjährige, die Witwe Anna Maria GROSSIN, die am 7. Juni im Alter von 100 Jahren starb. Eine andere Witwe, Catharina WEIGLINGER, verlor an zwei aufeinander folgenden Tagen zwei ihrer Kinder, am 8. Juni Anna, 3, und tags darauf am 9. Juni Johann, 8. Am 17. Juni starb der Kaiserliche Kutscher Philipp HANBERGER, 44, ebenso wie sein Sohn Lorenz, 9. Dass "ledige Menscher", wie schon mehrfach vermutet, zumeist unverheiratete weibliche Dienstboten niedrigen Ranges waren, scheint der Tod des "ledigen Mensches" Catharina KOCHIN zu bestätigen, die, 84 (!) Jahre alt, am 15. Juni im Trautmanstorfischen Hauß beim Landhauß starb - in einem Alter, in dem man heute sicher nicht mehr von einem "ledigen Mensch" sprechen würde.

WZ Verstorbene 1721-07

Auffallend (dabei) wieder die hohe Kindersterblichkeit mit 120 Kindern zwischen 1 und 9 Jahren (36,47 %). Berücksichtigt man noch die nicht namentlich angeführten verstorbenen Kinder unter einem Jahr (1719 waren das 22,39 %), dann ergibt das schon fast zwei Drittel der Gesamtzaahl aller Verstorbenen. 

Besonders traurig ist es, wenn eine Familie binnen weniger Tage gleich mehrere Kinder verliert, wie etwa der Schuster Veit Sauhäutel, dessen Tochter Anna am 22. Juli 1721 im Alter von 7 Jahren starb, sieben Tage später dann deren viereinhalbjährige Schwester Maria. Aber auch hochgestellte Personen blieben von einem derartigen Schicksal nicht verschont. So verlor Joseph Franz Graf zu Würben und Freudenthal binnen zweier Wochen seine Töchter Elisabeth Christina (am 18. Juli 1721) sowie Maria Anna (am 1. August 1721).

 

WZ Verstorbene 1721-08

.... unter ihnen nicht weniger als 134 Kinder zwischen 1 und 9 Jahre (38,4 %), die Kinder unter einem Jahr wie immer nicht erfasst. 

Interessant: Am 7. August 1721 verstarb im Alter von siebeneinhalb Jahren Rosalia, Tochter des Kaiserlichen Hof-Bildhauers Lorenz(o) Mat(t)ielli, dem das barocke Wien zahlreiche Skulpturen in der Hofburg, im Palais Schwarzenberg, der Karlskirche (die Giebelfigur des Heil. Karl Borromäus) etc. zu verdanken hat. Weil ihm für die Errichtung eines Brunnens am Mehlmarkt, dem heutigen Neuen Markt, der junge Georg Raphael Donner vorgezogen wurde, ging er 1740 nach Dresden, wo er 1748 starb.Kurios: Am 8. August 1721 starb ein 40-jähriger abgedankter Soldat namens - Georg Danzer.  

In diesem Monat fand ich auch wieder ein Reihe interessanter Berufe, z. B. Marmellierer (Marmorsteinmetz), Oeler (Händler mit Ölen, Pech, Kerzen, Seifen), Oebstler (Obsthändler), Hünerkramer (Geflügelhändler), Arbes-, Traid- und Zwespenhandler (Erbsen-, Getreide- und Zwetschkenhändler), Stöckelschneider, der Siegel, Stempel und Wappen herstellte, Fräuleschneider (Damenschneider), Wachs-Possierer (Wachsbildhauer) und nicht zuletzt einen ehemaligen Kollegen von mir, einen Zeitung-Schreiber, wie man Journalisten damals nannte.

WZ Verstorbene 1721-09

Auffallend wieder die hohe Kindersterblichkeit, die mit 115 Kinden zwischen 1 und 9 Jahren nicht weniger als 40,07 % (!) ausmacht. Den üblichen Anteil von 20 bis 25 % verstorbener Kinder unter einem Jahr hinzugerechnet, nähert sich die Gesamtzahl der verstorbenen Kinder schon bedenklich der Horrormarke von zwei Drittel. Dem gegenüber stehen diesmal nur 18 Verstorbene über 70 Jahre, mit der 99-jährigen Christina STOCKHAMMERIN, die im Armen-Hauß verstarb, als Ältester. 

Was mir noch aufgefallen ist: Am 3. September 1721 starb Susanna, 61, Gattin des Kaiserlichen Öffentlichen Notars (Not. Publ.) Johann Jacob KAMETER, am 18. September dann der Notar selbst, allerdings unter dem Namen Johann Jacob KUMETER, 72. Beide Namen scheinen im Trauungsregister von Felix Gundacker auf, wobei der Eintrag unter "Kumeter" zeitmäßig besser passen würde. Ich habe aber alles so belassen wie veröffentlicht und nur entsprechende Bemerkungen bzw. Querverweise dazu gemacht. 

Sehr interessant ist auch der Sterbeeintrag des Juden Emanuel OPPENHEIMER, 65, Kaiserlicher Ober-Factor, vom 13. September 1721. Er gehörte der über ganz Europa verzweigten alten und angesehenen jüdischen Familie OPPENHEIM(er) an. Der Wiener Hofjude Samuel Oppenheimer (1653-1703), der als "Fugger seiner Zeit" bezeichnet wurde, war vermutlich sein Bruder. Er war mit Prinz Eugen befreundet und spielte als Armeelieferant und Geldgeber des kaiserlichen Hauses eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Krieges gegen Türken im Jahre 1683. Seine zu 12 bis 20 % Zinsen gegebenen Darlehen stellten den größten Posten unter den damaligen Schulden Österreichs dar. Nach seinem Tode  im Mai 1703 verfügte die kaiserliche Regierung den Konkurs über seinen Nachlaß und stürzte damit nicht nur die Familie Oppenheimer sondern alle mit ihr in Verbindung stehenden Börsen und Wechselfirmen, namentlich die Frankfurter Börse und ihre Makler, in eine schwere Krise. Schwere Finanzkrisen gab es also auch schon vor mehr als dreihundert Jahren. Der am 13. September 1721 in Wien verstorbene Samuel Oppenheimer war im Übrigen schon wieder Kaiserlicher Ober-Factor und wohl ein sehr einflussreicher Mann. 

Es steckt so viel Interessantes in unserer Arbeit, wenn man auch zwischen den Zeilen lesen kann.

WZ Verstorbene 1722-01

Wie angekündigt, beginnt dieser Jahrgang des "Wienerischen Diariums" mit einer ganzen Reihe von Neuerungen: Zum Ersten erhielt das Blatt einen neuen, geänderten Zeitungskopf. Dazu hat man nach fast 2000 Ausgaben seit dem ersten Erscheinen am 8. August 1703 das Nummerierungssystem geändert, und zwar jedes Jahr neu mit Nr. 1 beginnend, mit jeweils einem einzigen Datum als Ausgabetag. Die Verwirrung, dass dieses Datum nicht mit der URL bei ANNO übereinstimmt, hat damit ein Ende. Beibehalten wurde jedoch der Erscheinungszyklus: jeweils Mittwoch und Samstag, den beiden Tagen, an denen damals in Wien Post zugestellt wurde.

Hier noch ein paar Beispiele, was sich mit Beginn des Jahres 1722 orthografisch (nicht: othografisch!) im "Wienerischen Diarium" geändert hat: 

-Vornamen: Frantz, Lorentz, Wentzl statt Franz, Lorenz, Wenzel, dazu Andrae, Mathiae, Thomae statt bisher Andre, Mathias oder Matthias und Thomas, aber auch Varianten wie Antoni, Bonifaci, Gregori, Ignati etc. 

-Berufe: Erstmals finden sich die Zusätze "Burgl." oder "Hof-Befreiter" vor der Berufsbezeichnung. Hof-Bediensteten wurden als "Kayserl." statt bisher "Kaiserl." bezeichnet. Viele Berufsnamen wurden neuerdings durch Bindestrich getrennt, wie Brod-Sitzer, Cammer-Diener, Handels-Mann, Sessel-Trager, Schuch- oder Uhr-Macher, Tafel-Decker etc. Tagwerker waren plötzlich "Tagwercker" - da galt offenbar noch nicht die Regel, dass es (ausser bei Eigennamen) nach Konsonanten kein "ck" oder "tz" geben darf. Manche neue Bezeichnungen scheinen gegenüber früheren Jahren fast altmodisch, wie "Gutschy" statt Kutscher, "Guardi-Soldat" statt Gardi-Soldat oder "Preu-Maister" statt Bräumeister. Ständig wechselnde Schreibweisen gibt es für den Perückenmacher (wobei "parikmakher" für Friseur noch heute als deutsches Fremdwort im Russischen existiert), die meisten Varianten aber für den "Lakai", nämlich als Lagey, Lackey, Laquei, Lackei etc. 

- Wohnorte: Erstmals werden auch bei Wohnorten in den Vorstädten Hausnamen angegeben, oft mit Bindestrich wie etwa "beym Weissen-Pfauen". Aber auch Ortsbezeichnungen wurden mit Beginn des Jahres 1722 oft anders geschrieben, und zwar meist so wie sie ursprünglich entstanden sind, etwa Laim-Gruben, Lerchen-Feld, Liechten-Thal, Neu-Stift, Nicols-Dorf oder Spittl-Berg. Interessant auch die Formulierung, wenn sich ein Gebäude etwa gegenüber dem Bischof-Hof befand. Das hieß dann "beym Bischof-Hof über". 

In der allerersten Ausgabe des Jahres 1722, nämlich am 3. Jänner, wurde bei den Verstorbenen erstmals auch die Todesursache angeführt. Das hat man dann allerdings, aus welchen Gründen immer, wieder für einige Zeit eingestellt. Die einzigen Ausnahmen gab´s bei Sophia BUTHNERIN sowie Maria LEINLIN, die mit 107 bzw. 111 Jahren das Zeitliche segneten - sie starben, wie das "Wienerische Diarium" schreibt, "alters halber". Was man voll und ganz glauben darf...

WZ Verstorbene 1722-02

...bei der Bearbeitung des Monats Februar 1722 habe ich wieder einige interessante Entdeckungen gemacht.

Bekanntlich gab es zu dieser Zeit noch keine einheitliche deutsche Rechtschreibung, viele Berufsbezeichnungen sind aber trotz altertümlicher Schreibweise durchaus verständlich, wie etwa Drat-Zieher (Drahtzieher), Eisen-Dantler (Eisenhändler), Hünner-Kramer (Geflügelhändler), Sib-Macher (Siebmacher) oder Strimpf-Würcker (Strumpfstricker oder -wirker). 

Aber was ist ein Bichsen-Schifter, ein Brodsitzer, ein Bruderschafts-Ansager, ein Comoedi-Logy-Meister, ein Faß-Zieher oder ein Hof-Häringer? 

Hier die Erklärungen: 

Bichsen-Schifter stellten Schäfte für Gewehre und Pistolen her, Brodsitzer waren Brothändler, zum Unterschied zu den Becken, die Brot erzeugten, Bruderschafts-Ansager, zumeist der älteste Geselle einer Zunft, hatten die Aufgabe, deren Mitglieder zusammen zu rufen, ein Comoedi-Logy-Meister war bei Komödiantentruppen für die Quartierbeschaffung verantwortlich, Faß-Zieher, auch Gröppner genannt, transportierten Fässer, die nicht nur Flüssigkeiten, sondern Waren verschiedenster Art, wie z. B. Salz, enthielten, und ein Hof-Häringer war ein Fischhändler, der den kaiserlichen Hof mit Fischen, hauptsächlich Heringen, belieferte. Begriffe, die auch immer wieder auftauchen, sind der B(e)stand-Wirt, der der Pächter einer Gastwirtschaft war, der Leit- oder Leutgeb, der Bier (Bier-Leutgeb) oder Wein (Weinleutgeb) ausschenkte, während der Gastgeb auch Speisen kochen und verkaufen durfte. Langsam begann auch die Industrialisierung. So fand ich nach einem Seiden- jetzt auch einen Spiegl-Fabricanten. 

Interessante Wohnadressen waren das Bar- sowie das Roßausleyherische Haus beym Heil. Creutzer-Hof, wo man Bares bzw. Rösser ausleihen konnte, die Kayserliche Kleperschmidten (Pferdeschmiede) in der Teinfalt Straß oder das Sperl-Wirts-Haus bey St. Ulrich, wo die 62-jährige Barbara FÜHRNSCHLIFIN lebte und bis zu ihrem Tod als sogenanntes "ledigs Mensch" (Dienstmagd) arbeitete. 

Als Todesursachen hieß es zweimal "vorgestern erstochen worden", je einmal "ohnversehens erschossen worden", "von einer Boden-Aufzug-Stangen erschlagen worden", "in ein Brunnen gefallen, 6 Tage später Todter heraus gebracht worden" und "wegen empfangenen Schlägen gestorben". Häusliche Gewalt gab es also auch schon damals. Der Ehemann der verstorbenen Barbara WERITSCH, 37, war übrigens ein Kutscher mit Vornamen Lorentz. 

Die beiden ältesten Toten im Februar 1722 waren eine Sabina BALTHASARIN, 99, sowie ein Johann SEIBL, der das biblische Alter von 110 Jahren erreichte. Altersangaben in der damaligen Zeit sind allerdings mit einer gewissen Skepsis aufzunehmen, schließlich besaß damals kaum jemand Dokumente, die sein Geburtsdatum verlässlich hätten belegen können.

WZ Verstorbene 1722-03 und 1722-04

Mitte März 1722 sind, entgegen den bisherigen Gepflogenheiten, erstmals auch verstorbene Kinder unter 1 Jahr registriert. Bei der hohen Kindersterblichkeit in dieser Zeit steht uns/mir damit wohl eine neue Flut von zu bearbeitenden Daten ins Haus. 

Eine genaue Statistik lässt sich derzeit leider (noch) nicht erstellen, da bei ANNO immer wieder einzelne Ausgaben fehlen. Um aber einen ungefähren Überblick zu geben, habe ich das Jahr 1790 herausgesucht, wo das Wienerische Diarium, wie übrigens auch in den vorangegangenen Jahren, zumeist um Mitte Jänner des folgenden Jahres interessante Jahreszusammenfassungen veröffentlicht hat. So weist die Statistik von 1790 bei insgesamt 16.157 Verstorbenen in und vor der Stadt 5.066 Kinder unter einem Jahr, 1.055 mit 1 Jahr, 661 mit 2 und 486 mit 3 Jahren aus, gesamt 7.268, zu denen noch 389 tot geborene Kinder kommen - eine Kleinkindersterblichkeit von nicht weniger als 47,39 Prozent! 

Doch zurück zu 1722. Die beiden ältesten Verstorbenen im März und April waren ein Albrecht DALLER, 102, sowie ein Paul PFAFFENZELLER, 100, die beide im Armen-Haus ihr Leben beendeten, die jüngste, Anna FORRE, Tochter des Kuchl-Meisters Andrae Forre, wurde gerade einen Tag alt. 

Und wieder ein paar alte Berufe, die einer näheren Erklärung bedürfen. Interessant, dass man damals bei der Berufsangabe meist penibel genau war, z. B. hieß es nicht "Gärtner", sondern entweder "Kuchl-Gartner", einer der Obst, Gemüse und Kräuter anbaute, oder "Lust-Gartner", der sich auf das Anlegen von Lustgärten verstand. "Tafel-Decker" war ein Bedienter, der in herrschaftlichen Häusern den Tisch (die Tafel) deckte, "Fourier" einer, der an Höfen für die Versorgung der Gäste zuständig war. Beim Militär war der Fourier ein Unteroffizier, der für die Unterkunft und Verpflegung seiner Einheit zu sorgen hatte. 

Weitere Berufe, die heute nicht mehr auf Anhieb verständlich sind, waren der "Bund-Macher", ein Kürschner, der die Felle kleiner Waldtiere, hauptsächlich von Eichhörnchen, verarbeitete, die farblich geordnet und gebündelt wurden, da schließlich niemand einen "Fleckerlteppich" tragen wollte, der "Spallier-Macher", der Tapeten herstellte, die dann der "Tapetzierer" verlegte, der "Gradl-Trager", ein Hausierer, der hauptächlich mit Gradl, einem groben, festen Stoff handelte, der "Wasserbrenner", der Branntwein brannte, oder der "Inßlet-Schmöltzer", der Unschlicht (Talg) schmolz. 

"Vorreiter" waren Bediente zu Pferde, die herrschaftlichen Kutschen den Weg frei machte. In der Schifffahrt waren es aber auch Reiter (genannt "Stanglreiter"), die Salzschiffe am Ufer flußaufwärts begleiteten, um die Schiffer vor Gefahren zu warnen. Der letzte Reiter in einem Schiffszug war der sogenannte "Afterreiter", der die Schiffe durch seine Befehle steuerte, weil er den Zug am besten überblicken konnte. "Visierer" waren, ähnlich wie die "Mehl-Messer", vereidigte Beamte, die mit einem Visierstab den Rauminhalt von Fässern maßen und später als Kontrollore die Ablieferung des Umgelds, einem Vorläufer der Getränkesteuer für Bier und Wein, festlegten.

WZ Verstorbene 1722-05

... was hauptsächlich auf die Kinder unter einem Jahr zurückzuführen ist, die seit Mitte März 1722 auch namentlich registriert wurden. Das hat mich, da in diesem Monat auch die Scans aller WZ-Ausgaben komplett vorfügbar sind, dazu bewogen, die abgedruckten Namen mit der Jahreszusammenfassung zu vergleichen, die das "Wienerische Diarium" meist Mitte Jänner des folgenden Jahres (diesmal am 9.1.1723) abgedruckt hat. Nun, eine genaue Übereinstimmung gibt es, wie zu erwarten war, nicht. Wir können aber davon ausgehen, dass die Verstorbenenlisten ziemlich komplett sind. Schließlich wissen wir nicht, ob auch totgeborene Kinder in der Statistik enthalten sind, ebensowenig, wie die damals gültige Definition von "totgeboren" gelautet hat. Ob da vielleicht die erfolgte oder nicht erfolgte Taufe eine Rolle gespielt hat? Ausserdem fehlen darin auch Angehörige des hohen Adels, bei denen die Kindersterblichkeit wohl auch nicht viel geringer gewesen sein dürfte als beim niedrigen Volk. 

Hier die Zahlen von Mai 1722, in denen auch die überschneidenden Daten aus den WZ-Ausgaben des Folgemonats enthalten ssind, im Vergleich: 

"Wienerisches Diarium": Gesamt 370 Personen, davon 185 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 19 Jahren sowie 185 Erwachsene zwischen 20 und 99 Jahren. Die Zahl der Kinder unter einem Jahr betrug 98, unter ihnen 10 namenlose Kinder, deren Mütter, ebenfalls ohne Namensnennung, durchwegs "ledige Menscher" (unverheiratete Dienstmägde) waren, die eine (nur selten erteilte) Bewilligung ihrer Herrschaft benötigten, wenn sie heiraten wollten. Insgesamt sind 157 verstorbene Kinder unter 5 Jahren registriert. 

Die im Mai 1722 "Verstorbenen in und vor der Stadt Wien" aus der Jahres-Statistik vom 9. Jänner 1723: Gesamt 394 Personen, davon 195 Kinder (115 Knäblein, 80 Mägdlein) sowie 199 Erwachsene (108 Manns- und 91 Weibs-Personen). 

Interessant auch noch die Statistik der "namenlosen Verstorbenen": Gesamt 39 Personen, davon 10 Kinder unter einem Jahr, 4 mit 1 Jahr, 2 mit 2 Jahren, 3 zwischen 6 und 10 Jahren, 3 zwischen 10 und 20 Jahren, dazu 5 Personen zwischen 20 und 30 Jahren, 7 zwischen 30 und 40 Jahren sowie 5 über 50 Jahren. 

Ältester der fünf über 90-jährigen Verstorbenen des Monats Mai 1722 war übrigens ein hoher Herr, der Röm. Kayserl. Majestät Königl. Hungarischer Hof-Cammer-Raht und Hertzog-Lothringischer Resident, Tit. Herr Dominicus VALENTINI, der im stolzen Alter von 99 Jahren das Zeitliche segnete.

WZ Verstorbene 1722-06

1. Zum Thema KINDERSTERBLICHKEIT: Von den 313 Verstorbenen von Juni 1722 waren 115 (36,7 %) unter 1 Jahr alt, insgesamt 164 (52,4 %) unter 5 Jahren, und nur 122 (39,0 %) der Verstorbenen waren Erwachsene zwischen 21 und 96 Jahren. 

2. Unter den drei Über-90-Jährigen - der älteste war ein Tobias STIFT, 96 - befand sich auch Maria Elisabeth WENIGHOFERIN, 92, die die Mutter von Johann Franz von WENIGHOFFER (1658 - 1734), der von 1706 bis 1712 Bürgermeister von Wien war. Sein Vater Mathias war übrigens Kaiserl. Hof-Fischmeister. 

3. Historische BERUFE und ihre Bedeutung: Neben einigen halbwegs verständlichen Berufen wie "Schnürmacher", der Schnüre, Fransen und Borten herstellte, "Crepinmacher", der das durchsichtige, gekreppte Seidengewebe, genannt Krepp, webte, "Hünner-Krammer", der Hühner, und "Häringer", der Heringe  verkaufte, oder "Weinschlauchmacher", der Weinschläuche erzeugte, in denen aus Fässern abgefüllter Wein transportiert wurde, gab es auch Berufsbezeichnungen, die heute nicht mehr gebräuchlich und auch nur schwer zu deuten sind. Einige dieser Erklärungen stammen aus Quellen, die ich im Laufe der Jahre gesammelt habe. So stellt ein "Bettenmacher", auch Patterlmacher genannt, nicht etwa Betten her, sondern Perlen für die Rosenkränze frommer Leute, sogenannter Beter oder Better, "Bader" betrieben öffentliche Badestuben, waren aber oft auch als Bartscherer ("Balbierer"), Aderlasser, Zahnärzte und sogar als Chirurgen tätig, ein "Regiments-Aufwarter" war ein Regiments-Diener oder -Kellner, "Einschlagmacher" waren Leute, die Wein- oder Mostfässer mit Schwefel, sogenannter Einschlag, ausräucherten. Unter "Praeceptor" verstand man einen studierten Schulmeister, aber auch Hauslehrer oder Erzieher, unter "Solicitator" einen Rechtsanwalt oder Sachwalter, und schließlich war ein "Proto-Medicus" der Präsident des Collegium Medicum, also so etwas wie der Präsident der Ärztekammer. 

Bei einigen Berufsbezeichnungen bin ich aber trotz allen Bemühens angestanden: Was ist ein "Spanier" und was ein "Sterckmacher"?

WZ Verstorbene 1722-07

Zuerst zum Thema der damals extremen KINDERSTERBLICHKEIT: Von den 382 Vesrtorbenen des Monats Juli 1722 (ohne Totgeburten und namenlose Kinder) zählten 247, d.s. 64,66 Prozent, zwischen 0 und 5 Jahren, 30, d.s. 7,85 Prozent, zwischen 5 und 20 Jahren und lediglich 105, d.s. 27,49 Prozent, befanden sich im Erwachsenenalter zwischen 20 und 103 Jahren. Der Name des ältesten Verstorbenen dieses Monats, der im stolzen Alter von 103 Jahren im Krancken-Haus das Zeitliche segnete, war übrigens Peter KOPAN. 

TODESURSACHEN wurden damals lediglich bei Unfällen angeführt: So ist der Riemer-Gesell Johann Georg LEHNER, 20, "in Sonnwendfeuer gefallen und verbrennet", der Schullmeister Andre KAUFMANN, 38, "beym grün Käpel am Neubau erstochen worden", der Kuchl-Gartner Lorentz SCHMITZER, 50, "von ein Baum heruntergefallen", und der Müllner Georg WERNER, 53, "von ein Wagen gefallen" und danach gestorben. 

Ein interessanter Bereich sind auch die teilweise längst ausgestorbenen BERUFSBEZEICHNUNGEN: Manche mögen zwar bekannt oder irgendwies verständlich sein, ich habe sie manchmal dennoch erwähnt: so den Schwein(be)schauer, der zum Verkauf gebrachte Schweine auf Finnen (eine Schweinekrankheit) untersuchte, den Cavesieder, den es (in Ermangelung einer einheitlichen Orthographie) damals in den verschiedensten Schreibweisen gab, den Zeugmacher, ein Weber, der, zum Unterschied zum Tuchmacher, leichtes, wollenes Zeug herstellte, den Stein- und Stöcklschneider, der ähnlich wieder der Pettschierstecher Siegel und Wappen schnitt oder stach, den Wasserbrenner, der Branntwein herstellte, den Zirckel- oder Zeugschmid, der Werkzeuge aus Stahl herstellte. Rottmeister nannte man den Anführer einer Rotte von zumeist zehn Wachleuten, Sollicitator war ein Rechtsanwalt und Sachwalter, Silberjung ein junger Bursch, der den Silberkämmerer bei der Pflege des Tafelsilbers unterstützte, Thorsteher-Provisoner ein alter Mann niedrigen Standes, der nur noch für Tätigkeiten wie Thor- oder Nachtwächter zu gebrauchen war, Eißler war ein Eisenhändler oder -erzeuger, Stahel-Arbeiter stellten Gegenstände aus Stahl her, Bandl-Krammer waren Hausierer, die mit Bändern, Kämmen etc. von Tür zu Tür gingen, Träxler würden sich heute wohl Drechsler nennen, Stadt-Tätzer hoben Stadt-Steuern (Taxen) ein. Gatterstricker "strickten" Zäune (sogenannte Gatter) aus Draht, Spalliermacher stellten Tapeten her, die Tapetzierer dann auf die Wände aufbrachten. Dazu gab es die sogenannten Spallierbutzer, die die zumeist sehr wertvollen Tapeten von Verunreiningen durch Gebrauch und vor allem Heizung säuberten (putzten). 

Auf meine letzte Frage, was unter einem "Sterckmacher" zu verstehen sei. kam von Ernst Ambros eine sehr naheliegende Erklärung: Demnach waren Sterckmacher Leute, die aus Reis- oder Stärkemehl Haarpuder herstellten, das hauptsächlich für die Pflege von Perücken verwendet wurde. 

Heute ein neuer schwieriger Fall: Was versteht man unter einem "Strapler"? 

Und noch zwei "Berufe", die damals als solche gesehen wurden, obwohl man sie heute eher in die Gruppe Diskriminierung einreihen würde: Im September 1720 starb eine Anna Catharina KERNIN, von Beruf "Zwergin", im August 1722 ein Joseph Mallizy, von Beruf "Mohr". Tatsächlich umgaben sich damals viele Herrscher und andere wohlhabende Leute, um ihre eigene Bedeutung und Weltoffenheit darzustellen, mit Kleinwüchsigen (sogenannten Hofzwergen) oder Dunkelhäutigen (Hof- oder Kammermohren), die sie in phantasievolle Livreen steckten, die aber auf Grund ihrer Bildung oft großes Ansehen erlangten. So war Angelo Soliman (1721 - 1796) Kammerdiener und Prinzererzieher im Dienste der Fürsten Lobkowitz und Liechtenstein in Wien, er war Vize-Zeremonienmeister der Freimaurer, seine Tochter Josephine die Mutter des romantischen Dichters und Schriftstellers Eduard von Feuchtersleben. Nach seinem Tod wurde Solimans präparierte Haut im Kaiserlichen Naturalienkabinett ausgestellt, wo sie während des Oktoberaufstandes1848 verbrannt ist. Man vermutet, dass Soliman seine Haut auf Anregung aus seinem Freundeskreis prominenter Naturwissenschaftler selbst der Wissenschaft vermacht hat.

WZ Verstorbene 1722-08

Zum Ersten wieder das leidige Thema KINDERSTERBLICHKEIT: Von den insgesamt 297 erfassten Verstorbenen (leider fehlen bei ANNO aus diesem Monat 3 Ausgaben für einen Zeitraum von insgesamt 10 Tagen) waren 120 (40,40 %) jünger als ein Jahr, fast zwei Drittel jünger als 15 Jahre. Unter ihnen befand sich auch der erst 12-jährige Johannes BAUMANN, von Beruf "Naglschmid-Lehr-Jung". Nachdem es damals in Österreich noch keine generelle Schulpflicht gab, scheint auch Kinderarbeit nicht ungewöhnlich gewesen zu sein. 

Zum Thema ALTE BERUFE hier wieder einige interessante Beispiele, wie den Bader und Wund-Arzt (zum Unterschied zum Med. Doctor), den Brandweiner, den Deckenmacher, den Fourier (Verpflegs-Unteroffizier), den Holtzausscheiber und den Holtztrager, den Huterer, den Kreisler (Greißler), den Mayr, den Müntzschlosser, den Naglschmid, den Roshandler, den Roßstuppmacher, der kleingehacktes Grünfutter für die Pferde lieferte, den Sackeltrager, den Saitenmacher, den Sesseltrager, den Solicitator (Rechtsanwalt), den Sprachmeister, den Strimpfwürcker, den Träxler oder Dräxler (Drechsler), den Visierschneider, den Wachskertzler oder den Wollschlager, der die Wolle vor der Weiterverarbeitung durch die Weber "kämmte". 

Gewissen Seltenheitswert dürfte der Himmel-Trager bey St.Stephan gehabt haben, der zu feierlichen Anlässen den Baldachin ("Himmel") trug. Interessant aber auch so mancher damalige Titel wie Kaiserl. Hof-Cammerhaitzer, Hof-Crystall-Schneider oder Hof-Buchhalterey-Rait-Rat, der für das Rechnungswesen zuständig war. 

Im Wien des beginnenden 18. Jahrhunderts gab es nur wenige Straßenbezeichnungen und vor allem keine Hausnummern. Zur näheren Angabe von WOHNADRESSEN bediente man sich damals der Häusernamen, die entweder Hinweise auf den Eigentümer oder auf bestimmte Berufsgruppen gaben, die dort logierten und arbeeiteten: So gab es u. a. ein Bierversilberisches, ein Bildhauerisches, ein Binderisches, ein Brandweinerisches, ein Caffesiederisches, ein Kaplmacherisches, ein Kartenmahlerisches, ein Landkutscherisches, ein Ledererisches, ein Oelerisches, ein Riemerisches, ein Schlosserisches, ein Schmidisches, ein Schneiderisches, ein Schnürmacherisches, ein Schusterisches, ein Sessel- und ein Sacktragerisches, ein Stickerisches, ein Stuckgiesserisches, ein Trompettenmacherisches oder ein Wasserbrennerisches (Branntweiner) Haus. 

Wien-Kenner werden auch die folgende Adresse wiedererkennen: "beym plechen Thurn auf der Wieden" ist heute die Blechturmgasse im 4. bzw. 5. Wiener Gemeindebezirk.

WZ Verstorbene 1722-09

Wie immer in dieser Zeit war die KINDERSTERBLICHKEIT wieder erschreckend hoch: Von 262 registrierten Verstorbenen - leider fehlen bei ANNO 3 Ausgaben über einen Zeitraum von insgesamt 10 Tagen - waren 157, d. s. 59,92 Prozent, zwischen 0 und 15 Jahren, davon mehr als ein Drittel  u n t e r  einem Jahr. Unter den 105 "erwachsenen" Personen über 15 Jahren (40,08 Prozent) waren mit der 99-jährigen Barbara REISENHUBERIN und der 105-jährigen (!) Anna DÜRCKER aber auch wieder zwei "uralte". 

Interessant auch die Liste der teilweise längst ausgestorbenen BERUFE oder der damals üblichen Bezeichnungen, die heute oft nur noch schwer zu verstehen sind, wie der Praeceptor (Schulmeister), der Sprachmaister, der privat Sprachunterricht gab, der Kässtecher, der Schockolatimacher, der Mehlmesser, ein vereidigter Stadtbediensteter, der vor der Einführung der metrischen Gewichte das Mehl beim Verkauf wortwörtlich "abmaß", der Nadler, der aus Eisendraht Nähnadeln herstellte, der Mauerpallier, wie man die Vorarbeiter am Bau nannte, der Marmelierer (Marmorarbeiter/Steinmetz), der Stuckedorer (Stuckateur), der Vogl-Krammer (Vogelhändler) oder der Zischmamacher, der die seit der Türkenzeit auch hierzulande sehr beliebten bequemen Schaftstiefel (ungarisch: csizma) herstellte. 

Unzählig auch die TITEL, mit denen sich Personen am Hof oder im öffentlich Dienst schmücken durften, wie der Kaiserl. Leib-Barbierer (Bartscherer), der Hof-Kriegs-Agent, ein meist juristisch gebildeter höherer Hofbeamter, der Cammeral-Provisor, der in der Finanzverwaltung tätig war, oder der Kaiserl. Müntz-Hammer-Schmid (Münzpräger). Von eher geringem Rang waren der Guardi-Regiments-Aufwarter, ein Diener beim Garderegiment, der Gemeine Stadt-Dätz- und Umgelds-Diener, der beim Erfassen und Einheben von Steuern/Taxen (Dätz) und Umsatzsteuer (Umgeld) behiflich war, und erst recht der Thorwärtl im Zucht-Haus oder der Todtengraber im Liechtenthal. Interessant jedoch, wie präzise selbst untergeordnete Stellen zumeist beschrieben wurden. 

Erst in späteren Jahren hat das "Wienerische Diarium" bei Todesfällen auch die TODESURSACHE vermerkt. Ausnahmen waren nur Unglücksfälle, die eine Beschau durch das Kaiserl. Stadt-Gericht erforderlich machten. So hieß es am 6. September 1722 von dem 9 Monate alten Johann CREUTZER, "welcher gestern fruhe auf der Biber-Pastey durch ausgekommenes Feuer verbrennet worden", und am 15. September 1722 von dem 2 Jahre alten Martin SCHÄFFER, "welcher vorgestern ohnversehens in ein heissen Aschen gefallen und Hilf-los sich verbrennet, ist gestern beym golden Hirschen in der Rossau darauf gestorben". 

Ein trauriger Abschluss! Aber was kann man sich anderes beim Bearbeiten einer Verstorbenenliste erwarten..

WZ Verstorbene 1722-10

Von den 191 namentlich verzeichneten Verstorbenen - leider fehlen bei ANNO 4 Ausgaben über einen Zeitraum von insgesamt 13 Tagen - waren 65 (34,03 Prozent) unter einem Jahr, insgesamt 107 (56,02 Prozent) jünger als 10 Jahre. 

Ellenlang und teilweise kurios waren die Titel so manches Hof- oder Stadt-Beamten: So gab es einen Kaiserlichen Obrist-Post-Amts-Ober-Officier, einen Universal-Bancalitäts-Secretarius, einen Cammer-Haitzer, einen Stadt-Mehl-Amts- oder einen Cantzley-Verwandten, einen Haupt-Maut-Beschauer oder Wachebeamte wie einen Gstätten-Aufseher vorm Burg-Thor oder einen Wachter in der Rossau. Ein hoch angesehener Mann war wohl der Summelier und Kellermeister Ihrer Majestät der Verwittibten Kaiserin Amalia, der dafür zu sorgen hatte, dass nur die besten Weine auf die Tafel der Kaiserinwitwe kamen. Im Dienst der Kirche standen ein "Himmel-Trager bey Maria Hilf", aber auch "armen Leut-Samler", zumeist selbst arme alte Leute, die für andere Almosen sammelten und sich damit selbst auch ein paar Kreuzer dazu verdienen konnten. 

Spalliermacher erzeugten Tapeten, Schnallenmacher Schnallen, Crepinmacher die leichten, durchsichtigen Kreppstoffe aus Seide oder Halbseide, Hüner-Kramer verkauften Hühner, Häringer Fische, Klampfferer würde man heute Spengler nennen, damals verstand man darunter aber auch weniger qualifizierte (fahrende) Kesselflicker oder Rastlbinder, Bierversilberer handelten mit Bier. 

Aber was war ein "Schnäperlmacher" oder ein "Sandwerffer"? 

Als außergewöhnliche Todesfälle wurden im Oktober 1722 ein Schneider, ein Schuh-Knecht sowie zwei Becken-Jungen vermerkt, die alle vier am gleichen Tag "vorm Burg-Thor erschossen" wurden, sowie ein sieben Wochen alter Knabe, von dem es hieß, er sei "gestern Nachts im Wernerischen Haus am alten Baurnmarckt von der Ammel im Beth ohnversehens ersticket" worden.

WZ Verstorbene 1722-11

......die meine Fragen nach dem Beruf des "Schnäperlmachers" sowie des "Sandwerffers" logisch und kompetent beantwortet haben.

(Antwort v. Herrn Ofner:

Schnäperlmacher:

Ich tippe auf einen Hersteller von Verschlüssen (Schnapperln),

Sandwerffer:

Ich tippe auf einen Sandsieberer. Man braucht Bausand ja in verschiedenen Feinheiten (Grobputz - Feinputz).Damals gab es wohl nur die Möglichkeit den Sand durch immer feiner werdende Siebe zu werfen.) 

Auch für die vier im Oktober 1722 beim Burg-Tor erschossenen Männer gab es mit dem Hinweis auf den "Aufstand der Schuhknechte" die historisch richtige Erklärung.

(Antwort v. Herrn Ofner:

Das waren Unruhen von Handwerksburschen, die sogar bewaffnet waren. In der Geschichtsforschung wird das heute "Aufstand der Schuhknechte" genannt, aber es waren nicht nur Schuhknechte beteiligt. Als Folge dieser Unruhen wurden 1722 alle Bruderschaften und Gesellenvereine von Handwerksburschen verboten - und blieben es bis 1867/1870.

Auch in den Anekdoten um Prinz Eugen spielt dieser  "Aufstand der Schuhknechte" eine Rolle.) 

Doch zuerst wieder zum Thema KINDERSTERBLICHKEIT, die im November 1722, vermutlich jahreszeitlich bedingt, groß wie noch nie war. Von den 340 in diesem Monat im "Wienerischen Diarium" namentlich registrierten Verstorbenen zählten 141, d. s. 41,47 (!) Prozent, weniger als ein Jahr, insgesamt 196 (57,65 Prozent) waren 5 Jahre und jünger. Besonders tragisch dabei der Tod der nur zwei Wochen alten Zwillinge Georg und Urban WORITSCH, die am gleichen Tag (17.11.1722) gestorben sind. Zwei Tage zuvor hatte der Lustgartner Lorentz DOWADT am gleichen Tag neben seiner Frau Susanna auch seine drei Wochen alten Zwillinge Simon und Margareth verloren. Interessant und verwirrend zugleich, dass beim Taufeintrag der Zwillinge am 28.10.1722 als Familienname DOVATH angeführt ist, am 15.11.1722 beim Tod der Frau DOWATH sowie am gleichen Tag beim Tod der Kinder DOWADT.In Ing. Felix Gundackers "Generalindex der Katholischen Trauungen Wien" scheint keine der drei Varianten auf. Wie hieß die Familie also nun wirklich? 

Um bei den traurigen Dingen zu bleiben: Ein 40-jähriger Strohschneider namens Gregori HIGL ist "über eine Gestätten gefallen und im Tischlerischen Haus zu Erdberg darauf gestorben", der 32-jähriger Dragoner beim Löbl. Bayretischen Regiment, Simon WASTERSEGG, wurde "beym schwartzen Bock auf der Wieden erstochen". 

Interessant wie immer die schillernde Vielfalt der teilweise längst ausgestorbenen BERUFE, wie des Haarschneiders und des Haarwaschers, die nichts mit Friseur zu tun haben, sondern bei der Bearbeitung von Flachs benötigt wurden, Strohschneider schnitten Stroh zum Decken von Dächern, Kartenmacher oder -mahler malten, zum Unterschied zu den Landkartenmahlern, Spielkarten, deren Herstellung übrigens unter strenger behördlicher Aufsicht stand, Kotzenmacher erzeugten Decken und grobe Wollstoffe, Körbelmacher Körbe, Kapel- und Haubenmacher Kappen bzw. Hauben, Hueterer waren Hutmacher, Officianten waren Beamte niedrigen, Officiale Beamte höheren Ranges, Lehen-Kutscher würde man heute Lohnkutscher, in Wien "Fiaker", nennen, einen Marquier im Hof-Ball-Haus ist ein Ober, wie es ihn üblicherweise in Wirts- und Kaffeehäusern gibt, Geföhl-Aufschlager waren Steuereinnehmer zur Einhebung des sogenannten Aufschlags bei Bier, Wein oder Fleisch, Bruderschafts-Ansager übermittelten Nachrichten innerhalb der Zünfte (Bruderschaften), ein Kaiserl. Guardaroba-Gesell war für die Pflege der kaiserlichen Garderobe zuständig, ein Kaiserl. Hof-Courier überbrachte Botschaften im Auftrag des Hofes, und schließlich - als besonderes Schmankerl - ein Musicus und Thurner bey St. Stephan, der nicht etwa ein musikbegeisterter "Sportler" war, sondern vom Turm (Thurn) des Doms zu Wien, wo er auch sein ständiges Quartier hatte, rundum die Stadt beobachtete und ausbrechende Feuer durch Trompetensignale (daher Musicus) zu verkünden hatte. 

In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts erschien das "Wienerische Diarium" nur zweimal pro Woche, und zwar an den Posttagen Mittwoch und Samstag. Die Post-Zusteller mussten dabei wohl über besondere Ortskenntnisse verfügt haben, wollten sie den richtigen Adressaten finden, schließlich gab es nur wenige Straßennamen und vor allem keine Hausnummern. Hier einige Beispiele für Wohnadressen: "Neben dem Maut-Häusl auf der steinen Brucken vorm Kärntner-Thor", "im Eisenhutischen Haus in der Singerstras", "bey der grün Hollerstauden bey St. Ulrich", "beym golden Löwen am Neustift", "im Rosausleyherischen Haus in der Riemerstras", wo man Pferde ausleihen konnte, oder "im Pfaidlerischen Haus am Roten-Thurn", wo die Hemdenmacher ihre Werkstätten hatten.  

WZ-Verstorbene 1722-12

Im Folgenden wieder einige Besonderheiten, die mir beim Bearbeiten aufgefallen sind. Zum Ersten: Die KINDERSTERBLICHEIT ist weiter extrem hoch, und zwar waren es in diesem Monat bei insgesamt 304 registrierten Verstorbenen 125 (!) Kinder unter einem Jahr (41,12 Prozent) sowie insgesamt 176 Kinder (57,90 Prozent) unter 5 Jahren. Von den restlichen 128 Verstorbenen erreichten 22 (7,24 Prozent) ein Alter von über 70 Jahren, mit Stephan SINDLER, 99, "gewester Roshandler aus der Leopoldstadt" und Anna JANISCHIN, 98, die im Armen-Haus starb, als Ältesten. 

Um beim Sterben zu bleiben: Bei Unfällen oder unklaren Todesursachen wurden die Toten vom Kaiserl. Stadt-Gericht beschaut. So etwa Francisca, die 8-jährige Tochter des Burgerl. Tischlers Wentzl PACHER, die "in sein Haus auf der Landstras ohnversehens an ein Tischler-Schnitzer (= Schnitzmesser) gefallen und darauf gestorben" ist. 

Und weiter zu den BERUFEN der Verstorbenen bzw. ihrer Angehörigen: Bortenmacher stellten Bänder, Borten, Quasten etc. her, die vor allem bei der barocken Kleidung dieser Zeit sehr beliebt waren, Büchsenschifter schnitzten oder drechselten die Holzteile von Gewehren, Compasmacher erzeugten Kompasse, Dürr-Kräutler trockneten die Kräuter, die die Wurtzelgraber sammelten, Arbes-Handler handelten mit Erbsen, Haber-Handler mit Hafer, Tandler oder Dantler (Trödler, Altwarenhändler) mit so gut wie allem, Spiegel-Factor war ein Spiegelfabrikant, Freyle-Schneider (von "Fräule) ein Damenschneider, Wachs-Po(u)ssierer ein Wachsbildhauer. Roshandler handelten selbstverständlich nicht mit Rosen sondern mit Rössern, weshalb auch die Rosausleiher keine Rosen, sondern Rösser vermieteten, Wollschlager, auch Wollzupfer genannt, reinigten und kämmten die Wolle vor der Weiterverarbeitung durch die Weber. Und schließlich gab´s noch den Todten-Beschauer, der bei "normalen" Sterbefällen die Tätigkeit zu erfüllen hatte wie ungeklärten Fällen oder bei Unfällen das Kaiserl. Stadt-Gericht. Wobei wir wieder bei den Verstorben angelangt wären . . . 

Hier noch zwei Berufe, die, zumindest auf den ersten Blick, falsche Vermutungen aufkommen lassen: So hatte Johann Georg GLANDINGER als "gewester Kaiserl. Instrumenten-Diener" nichts mit Musik zu tun, er war vielmehr Aktenträger, da man unter "Instrumenten" auch Schriftstücke, Urkunden und Verträge verstand. Und Johann LEYKAUF als "Vatter im Kaiserl. Hof-Spital" verbanden dort nicht etwa verwandtschaftliche Bande mit Patienten, er war vielmehr eine Art Spitalsverwalter. 

Und noch einige kuriose Adressen, deren wörtliche Bedeutung wohl nur wenigen auf Anhieb klar sein dürfte, wie etwa "bey der golden Angster (= Flasche) im Liechtenthal", "beym blauen Kandl (= Kanne) im Lerchfeld", "beym grün Saltzküffel (= ein kleiner Holzbehälter zur Aufbewahrung von Salz) zu Mazelsdorf", "beym golden Metzen (= ein Korb, in den die Hopfendolden gebrockt wurden) am Neubau" oder "beyn zwei Schweitzern (= Melker) bey Maria Hilf". Lediglich bei der Bedeutung der Adresse "bey der Kollkreintzen auf der Wieden" schwanke ich ein wenig. Meine Vermutung: dass es sich dabei um eine Kohlen-Kraxen, eine Butte mit Rückentragegestell handelt, mit der man Kohlen und anderes transportiert hat. Wer weiß das genau?

 

WZ-Verstorbene 1723/01, 1723/02 und 1723/03

...vorerst vielen Dank an Herrn Michael Ambrosch für seinen Hinweis auf die Adresse "bey der Kollkreintzen auf der Wieden", die sich in einem von mir bearbeiteten Datensatz von Dezember 1722 fand, aber, wie Herr Ambrosch entdeckt hat, auch in einem Heft "Briefe des jungen Eipeldauers an seinen Herrn Vettern in Krakran", erscheinen in Wien im Jahre 1805. Da heißt es unter anderem: "Aber gestern, Herr Vetter, kommt ein braver Herr zu mir aufs Zimmer, und der schwürt mirs auf sein Ehr, daß er im Wirthshaus bey der Kohlkreinzen schon öfters ein Menschen getroffen hat, der sich öffentlich fürn Autor von mein Briefen ausgibt. Wie mirn der brave Herr beschrieben hat, so soll er immer mitn Augen zwinseln, und`s Maul verziehn, und da hat er immer sein Schreibtaferl heraus, und thuth, als wenn er sich Gedanken aufschrieb." Und einige Seiten weiter heißt es: "O je, Herr Vetter, mein Frau Mama ist die Täg angschmiert worden. Da ist ein Kerl zu ihr ins Haus kommen, der wie ein Fuhrknecht ausgeschaut hat, und er hat meiner Frau Mama ein Zettl bracht, und hat ihr gsagt, daß bey der Kohlkreinzen ein ganzer Hirsch und ein Menge Rebhähndln und Fasoner für sie angekommen sind, und daß sie s´ möcht abholn lassen, für jetzt möcht s´ ihm aber ´s Fuhrlohn von 3 fl. 30 kr. zahln." Unnötig zu sagen, dass des jungen Eipeldauers Frau Mama einem Betrüger aufgesessen ist. "Wie s´ zu der Kohlkreinzen hinaus gschickt hat, so hat kein Mensch von ein Hirschen und von ein Fason was wissen wollen, und da hat s´ gsehen, daß s´ angeschmiert ist . . ." 

Die Adresse "bey der Kollkreintzen auf der Wieden" war also wohl ein Wirtshaus im heutigen 4. Wiener Gemeindebezirk, und die wörtliche Bedeutung des Wortes "Kollkreintzen" dürfte tatsächlich Kohlenbutte sein. 

Weil In den ersten drei Monaten des Jahres 1723 gleich elf Ausgaben mit insgesamt 37 Tagen eingetragener Verstorbener fehlen, habe ich meine diesmaligen "Schmankerln" zusammengefasst. Die Kindersterblichkeit (unter 5 Jahre) war mit 49,39 bis 53,33 Prozent nach wie vor konstant hoch, während sich der Prozentsatz der Verstorbenen über 60 Jahre zwischen 16,67 bis 17,54 Prozent einpendelt. Tragisch der Tod der 10 Wochen alten Zwillinge Frantz und Friederich des bürgerlichen Parockenmachers Johann BOIGER, die am 30.12.1722 starben. Am 6.1.1723, nur zwei Tage nach der Geburt ihrer Zwillinge Adam und Frantz, starb Anna, die 31-jährige Gattin des Guardi-Trummelschlagers Georg FLADERER, nur knapp zwei Wochen später, am 21.1.1723, starben auch die beiden nur 17 Tage alten Säuglinge. 

Bauvorschriften dürften zur damaligen Zeit noch nicht allzu streng gewesen sein, jedenfalls kamen innerhalb von nur wenigen Wochen gleich drei Frauen ums Leben, als sie "ohnversehens über Stiegen herunter sich erfallen", unter ihnen die 50-jährige Wittib Barbara MARCKSTEINER, die im Contumatz, dem damaligen Siechenhaus, über eine Boden-Stiegen fiel. Keines natürlichen Todes gestorben ist auch der 20-jährige Schuhknecht Joseph Waltzl, der im Richterischen Haus auf der Laimgruben erstochen und "allda vom Kaiserlichen Stadt-Gericht beschaut" worden ist. 

Nun noch zu der Unzahl alter Berufen wie dem Heubinder und dem Stroschneider, dem Pappiermahler und dem Waxkertzler, dem Vögeljäger und dem Vöglhäuslmacher, dem Sagfeiller und dem Zirckelschmid (Werkzeugmacher), dem Holtzausscheiber, der Holz transportierte, und dem Holtzversilberer, der es verkaufte, dem Sesseltrager oder dem Leinwatwichser, der Leinwand mit Wachs imprägnierte. Einige weitere Berufe verdienen gewisse Erklärungen: Etwa der Flecksieder, der die Eingeweide geschlachteter Tiere (Kuttelfleck) reinigte, brühte und verkaufte, der Wollschlager, der die Wolle vor der weiteren Verarbeitung reinigte und kämmte, der Rechenmeister, der Stadtkämmerer für das Rechenwesen, der Wasserbrenner, auch Brandweiner genannt, oder der Zervelati-Würstmacher, der Zervelat, eine billige Dauerwurst erzeugte, die in Österreich auch "Safaladi" genannt wurde. Aus dem Dom zu St. Stephan wurde der Tod eines 10-jährigen Capell-Knab, eines 62-jährigen Kirchen-Samlers sowie des 2-jährigen Sohns eines Himmeltragers gemeldet.

Zusammengestellt von Renate Fennes, WZ-Administrator, Dezember 2009